Krimis & Thriller

"Hat ja nun kein Hänschen mehr"

Marie und Robert Lieser durchleben den Alptraum aller Eltern: Eines Abends erscheint ihr elfj?hriger Sohn Johann nicht wie verabredet zum Abendessen. Anf?nglichem ?rger ?ber dessen Unp?nktlichkeit folgt rasch die Erkenntnis, dass ihm etwas Schlimmes zugesto?en sein muss. Die Polizei wird eingeschaltet, insbesondere der Vater sch?pft durch die Einbindung der Institutionen Hoffnung, doch Marie, die Mutter, sp?rt relativ schnell, dass sich ihrem Sohn dadurch keine Chancen er?ffnen.

Der Schriftsteller und Journalist Wolfgang Brenner hat sich f?r seinen neuesten Roman "Aber Mutter weinet sehr" ein altbekanntes Thema herausgepickt: Kindesentf?hrung. Sicherlich f?hrt diese blo?e Erw?hnung bei zahlreichen Lesern, bevorzugt Eltern, zu einem Abwehrreflex und bewusster Ignoranz gegen?ber einem solchen Werk, doch lohnt es sich durchaus, bei Brenner Halt zu machen, da er im vorliegenden Thriller keineswegs die tausendunderste Umsetzung einer altbekannten Story abliefert, sondern in vielerlei Hinsicht das zentrale Thema in einem ganz eigenen Stile interpretiert.

Johanns Mutter ist die stereotype Vorgehensweise der Polizei sofort ein Dorn im Auge, so dass sie sich in ihre eigenen Nachforschungen st?rzt. Und tats?chlich: Marie gelingt es, Kontakt zum Entf?hrer herzustellen. Doch vermeidet sie es konsequent, ihre Ermittlungserfolge Robert oder der Polizei mitzuteilen, da sie darauf setzt, dass ihre pers?nliche Beziehungsarbeit mit dem T?ter ihr einen Zugang zum Sohn erm?glicht. Ist ihr Sohn etwa noch am Leben? Sollte es Marie tats?chlich gelingen, durch ihr unorthodoxes Vorgehen Johann befreien zu k?nnen?

Bereits der gew?hlte Titel des Buches "Aber Mutter weinet sehr" wirkt ein wenig verst?rend auf die Leserschar, und tats?chlich ist Wolfgang Brenner ein Psychothriller gelungen, der eine sehr subtile und verst?rende Spannung in sich tr?gt. Geschuldet ist dies wohl dem gew?hlten Angang des Buches, da sich Brenner in einer Art Kammerspiel nur auf eine sehr eingegrenzte Schar an Akteuren einl?sst. Neben den Eltern und der Polizei sind dies nur noch der T?ter und dessen engstes Umfeld. Dabei entwickelt der deutsche Autor jedoch lediglich die Mutter als Charakter und arbeitet deren Seelenleben konsequent heraus, w?hrend die anderen Protagonisten sehr stiefm?tterlich behandelt werden und teilweise die Rolle von Statisten einnehmen.

Brenner hat sich neben dem eigentlichen Fall das Zusammenbrechen einer Familie in der Extremsituation einer Entf?hrung zum Thema gemacht. Wie schnell die Abwesenheit bzw. der Verlust des einzigen Sohnes die scheinbar heile Welt eines Ehepaares zum Einst?rzen bringen kann, scheint an den Haaren herbeigezogen, doch plausibel zugleich. Dar?ber hinaus schickt Brenner die Mutter Johanns auf eine v?llig schr?ge Bahn, indem er sie handeln und Dinge tun l?sst, die schlichtweg als irrationales Verhalten zu bezeichnen sind. Neben der Sorge um den entf?hrten Jungen bezieht der Autor die Spannung vorrangig aus Maries anstehenden Aktivit?ten, insbesondere die Treffen sowie die Kommunikation der Mutter mit dem Entf?hrer wirken surreal und verst?rend.

Das Thema Kindesentf?hrung kennt viele Umsetzungen, doch wartet Wolfgang Brenner im vorliegenden Buch mit einer bewusst schlichten Interpretation auf, die ihr Scheinwerferlicht auf den Beziehungsaufbau der Mutter mit dem Entf?hrer richtet. Diese Fokussierung fesselt den Leser auf eine eigent?mliche Art und Weise und l?sst "Aber Mutter weinet sehr" zu einem Pageturner mutieren, der den Leser packt und ihn durchaus zwingt, innerhalb von 24 Stunden durch die knapp 300 Seiten des Buchs zu rasen. Zur?ck bleiben danach bei Eltern vor allem verst?rkte Sorgen um ihre eigenen Kinder.

Christoph Mahnel
01.10.2012

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Wolfgang Brenner: Aber Mutter weinet sehr

CMS_IMGTITLE[1]

München: Knaus Verlag 2012
288 S., € 16,99
ISBN: 978-3-8135-0503-0

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.