Krimis & Thriller

Hochspannung im Moor

Er hat seine Fans lange warten lassen. Aber endlich und nach über zwei Jahren des Wartens hat Simon Beckett seinen neuesten David-Hunter-Roman vorgelegt: "Verwesung" lautet der Titel der deutschsprachigen Ausgabe des vierten Romans um den forensischen Anthropologen Dr. David Hunter. Nachdem Beckett in "Kalte Asche" einen Fall auf eine schottische Hebrideninsel verlagert hatte und in "Leichenblässe" Hunter gar in Tennessee auf der "Body Farm" hatte ermitteln lassen, kehrt er im vorliegenden Roman wieder dorthin zurück, wo in "Die Chemie des Todes" die Serie ihren Lauf genommen hatte, ins verlassene englische Niemandsland.

Dartmoor, die Hügellandschaft im Südwesten Englands, ist in etwa das, was sich ein romantischer deutscher Krimifan seit Sherlock Holmes' Ermittlungen in "Der Hund von Baskerville" als idealen Hintergrund für einen echten englischen Thriller ausmalt. Eben in dieser Gegend hatte vor acht Jahren der Fall des Serienmörders Jerome Monk, der vier junge Frauen auf dem Gewissen hat, für großes Aufsehen gesorgt. Zwar konnte Monk verhaftet werden und war auch geständig, doch schwieg er sich über den Verbleib der beiden Leichen der Bennett-Zwillinge aus. David Hunter war damals bereits in einer assistierenden Rolle an den Ermittlungen beteiligt. Doch hatte ihn zu dieser Zeit das Schicksal einen ungleich härteren privaten Schlag erleiden lassen.

Nun ist Jerome Monk nach acht Jahren Haft aus seinem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochen. Die Erinnerungen aller Beteiligten kehren zurück, doch viel schlimmer noch muss sich der innerste Kreis des damaligen Ermittlungsteams um Leib und Leben sorgen, denn Monk scheint seine gelungene Flucht zu einem privaten Rachefeldzug nutzen zu wollen. Der Leser erfährt in "Verwesung" endlich mehr über das dunkelste Kapitel in David Hunters Vergangenheit, den Unfalltod seiner Frau Kara und seiner Tochter Alice. Dabei gelingt es Beckett im ersten Teil des Buches, der eben vor acht Jahren zur Zeit der Verhaftung Monks und des Unfalls seiner Familie spielt, einen über alles sympathischen Familienvater zu zeichnen, der sich vom erfolgreichen Forensiker Dr. Hunter doch deutlich unterscheidet.

Das vorliegende Buch ist beim herausgebenden Wunderlich Verlag wieder im gewohnten Outfit erschienen. Auf schwarzem Hintergrund prangt ein weißes Kreuz, die Vergänglichkeit des Menschen symbolisierend und den Arbeitsalltag Hunters trefflich reflektierend. Die Veröffentlichung des Buches in Deutschland war mit einer besonderen Aufmerksamkeit der Medien einhergegangen, zumal Simon Beckett und seine Romane in Deutschland beinahe größere Anerkennung genießen als in dessen Heimatland. Für gewöhnlich lässt sich die Erfolgsformel für eine gelungene Krimiserie wie folgt formulieren: Man produziere einzelne Fälle mit einem markanten Protagonisten, wobei die Singularität der Fälle jedermann zu jeder Zeit einen Neueinstieg ermöglicht, aber auch eine Weiterentwicklung der Figuren mit einem chronologischen Fortschritt vorsieht. Beide Erwartungshaltungen der Leser werden von Beckett vorzüglich umgesetzt.

Was die Beckett-erfahrenen Leser während der Lektüre jedoch feststellen müssen, ist, dass sie aufgrund der Erlebnisse aus den drei vorangegangenen Romanen die eigene Unvoreingenommenheit, mit der man für gewöhnlich an einen solchen Kriminalroman herangeht, völlig über Bord geworfen haben. Schließlich hat Beckett einen in der Vergangenheit schon oft genug an der Nase herumgeführt, wobei die Guten selten allesamt gut waren und auch die Schlechten nicht durchweg schlechte Charaktere waren. Der Leser ist daher wachsam und überprüft alle Äußerungen und Gesten der Hauptdarsteller besonders wachsam, insbesondere da dieses Mal die Rollenverteilung doch allzu eindeutig scheint. Ob diese Vorsicht berechtigt ist oder Beckett sie gar erneut bestätigt, sei an dieser Stelle natürlich offen gelassen.

Beckett ist mit "Verwesung" wieder ein richtiger Kracher gelungen, der das Leben des Lesers nach Kauf des Buches für ein paar Tage über den Haufen wirft und vor allem dessen Schlafgewohnheiten untergräbt: Man geht später ins Bett und steht früher auf, nur um noch ein oder zwei oder drei Kapitel weiterlesen zu können. Glücklicherweise muss einem um die Zukunft der Reihe nicht bange sein, schließlich ist ein Auftauchen von Grace Strachan, der Frau, die ihn einst am Ende von "Kalte Asche" mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte und seitdem spurlos verschwunden ist, früher oder später garantiert. Ob die angedeutete Fortführung der Reihe am Ende des vorliegenden Buches allerdings tatsächlich mit Grace Strachan zu tun haben wird oder nicht, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand erahnen, wahrscheinlich weiß es nicht einmal Simon Beckett selbst.

Christoph Mahnel
07.03.2011

 
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Das Buch:

Simon Beckett: Verwesung. Aus dem Englischen von Andree Hesse

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Reinbek: Wunderlich Verlag 2011
448 S., € 22,95
ISBN: 978-3-805-20867-3

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