Krimis & Thriller
Schröders dunkelste Geheimnisse
Ein Mann mittleres Alters stürzt sich im Beisein seiner erwachsenen Tochter von einer Plattform in den Tod. Der Suizid landet umgehend auf dem Tisch der Kriminalkommissare Zorn und Schröder, doch löst er dort ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. Während Zorn den Fall ob der offensichtlichen Freiwilligkeit schnell zu den Akten legen möchte, beginnt Schröder sich merkwürdig zu verhalten. Es scheint so, als ob er den Mann kenne, der in seiner Verzweiflung den Freitod gewählt hat. Auch die Tochter schreitet im Kommissariat zielsicher auf Schröder zu. Als kurze Zeit später ein weiterer Mann zu Tode kommt - dieses Mal definitiv nicht aus freien Stücken - zieht sich Schröder mit kruden Erklärungen in sein Schneckenhaus zurück. Doch nachdem Zorn auch hier einen persönlichen Bezug zu Schröder hergestellt hat, beginnt er an seinem Freund und Kollegen zu zweifeln, zumal dieser keineswegs bereit ist, Zorn bei den polizeilichen Ermittlungen zu unterstützen.
"Zorn - Der Fall Schröder" lautet der Titel des vierzehnten Falls für das schräge Ermittler-Duo Zorn und Schröder, wobei dieses Mal eigentlich nur Zorn ermittelt. Vor mehr als zwölf Jahren hatte Stephan Ludwig "Tod und Regen", seinen ersten Fall für Zorn und Schröder, vom Stapel gelassen. Seitdem versorgt der in Halle an der Saale ansässige Schriftsteller seine stetig wachsende Fangemeinde mit immer weiteren Fällen um die beiden ungleichen Protagonisten. Dabei schreckt Ludwig auch nicht davor zurück, Zorn, Schröder und deren Liebsten schmerzhafte Erfahrungen zukommen zu lassen. Gerade erst im letzten Fall war Zorns Frau Frieda bei einem Autounfall beinahe ums Leben gekommen und kämpft nun im vorliegenden Buch ihren langen und beschwerlichen Weg zurück ins Leben. Auch Zorn selbst hat bereits einige Finger in einem zurückliegenden Fall verloren.
So schwant den mitfiebernden Lesern bei "Der Fall Schröder" sogleich Böses, denn der keineswegs zimperliche Autor würde garantiert auch nicht vor dem Äußersten zurückschrecken. In vielen Rückblenden während dieses Kriminalromans blickt Ludwig zurück in die achtziger Jahre, als Schröder mit anderen Jungs auf einer Skifreizeit drangsalierenden Betreuern und Funktionären ausgeliefert ist. Während Zorn und Frieda noch rätseln, wie sie Schröder bestmöglich aus den laufenden Ermittlungen raushalten können, um den offensichtlichen Verdacht, dass er etwas mit den Todesfällen zu tun hat, nicht aufkommen zu lassen, stellen sie frustriert fest, wie wenig sie über Schröder und seine Vergangenheit wissen. Einzig Zorns Sohn Edgar glaubt fest daran, dass "Ögi" unschuldig ist.
In 95 Kapiteln verteilt auf etwas mehr als 360 Seiten schickt Stephan Ludwig seine Leser wieder einmal stakkatoartig auf einen emotionalen Höllenritt. Sollte Schröder tatsächlich seine Finger mit im Spiel haben, dann wäre es definitiv das Aus für Zorn und Schröder und den alljährlichen Lesespaß, wenn die beiden sich wieder einmal auf ihre ganz eigene Art necken und zu Höchstleistungen anspornen. Auch der Umstand, dass der Autor seine Protagonisten und deren Anhang konsequent weiterentwickelt, sorgt für eine starke Bindung der Leser an diese Buchreihe. Man will schließlich wissen, wie es mit Frieda, Edgar und allen anderen weitergeht. Mittlerweile spielt Edgar Basketball und nähert sich mit Siebenmeilenstiefeln der Pubertät. Deutlich langsamer sind hingegen Friedas Fortschritte nach ihrer Nahtoderfahrung im vorangegangenen Fall.
Der vierzehnte Fall der Zorn-Reihe wird die Leser, die von Stephan Ludwig schon einiges gewohnt sind, nachhaltig berühren, da es der mit Abstand persönlichste Fall der bisher erschienenen Bücher ist. Ohne spoilern zu wollen oder zu viel vorwegzunehmen, wird es sicherlich weitere Fälle aus der Feder Ludwigs geben, bei denen man sich nie sicher sein kann, welche Wendungen sie für die Leben der Haupt- und Nebendarsteller bereithalten werden. Dies macht die Zorn-Reihe mit Blick auf andere, ähnlich konzipierte Kriminalreihen mit lokalen Aspekten so besonders und einzigartig. Auch dieses Mal liefert der Autor mit seinem Schlusswort interessante Einblicke in seinen Schaffensprozess. Glücklicherweise sammelt er allerdings mit seinen ewigen Erwähnungen von Zigaretten und Rauchen fleißig Maluspunkte, ansonsten wäre die Reihe einfach perfekt.
Christoph Mahnel
09.12.2024