Krimis & Thriller
Who wants to live forever?
Der Journalist James Windover ist Herausgeber einer äußerst exklusiven Tageszeitung: "The Windover View". Sie hat nur 49 Abonnenten, allerdings zahlen diese für ihr Jahresabo den Preis von einer Million Euro. "The Windover View" und ihre Journalisten haben sich der absoluten Wahrheit verschrieben. Es werden ausschließlich Fakten, die natürlich alle gründlich recherchiert wurden, dargestellt, so dass der Leser sich völlig unvoreingenommen seine eigene Meinung bilden und seine Schlüsse daraus ziehen kann. Das Klientel ist selbstredend im Millionärs- bzw. Milliardärssegment angesiedelt. Nicht nur für die Leser hat diese Exklusivität ihren Preis, sondern auch für die Mitarbeiter der Zeitung. James und seine Kollegen sind rund um die Uhr für ihre Zeitung im Einsatz und scheuen für Analysen und Recherchen keine Kosten und Mühen. Als Mitgründerin der Zeitung hat Anahit Kevorkian, eine im Rollstuhl sitzende Milliardärin, nun einen ganz besonderen Auftrag für James, der ihn übers Wochenende zu einer exklusiven Präsentation ins Silicon Valley führt.
Dort tummeln sich zig unwissende Milliardäre, Experten aus der Nanotechnologie und Hirnforschung, die allesamt knallharte Verschwiegenheitsvereinbarungen unterzeichnet haben. James' Anwesenheit als Vertreter von Anahit Kevorkian ist nur zähneknirschend akzeptiert worden. Vorgestellt wird ein Projekt unglaublichen Ausmaßes, das im Erfolgsfall alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen wird. Doch James blickt als Journalist kritisch auf dieses Treiben, soll er doch Anahit eine Empfehlung geben, ob sie mehrere Milliarden in dieses Projekt investiert oder nicht. Bei seinen anschließenden Recherchen stößt er auf einen französischen Schriftsteller, der von Peter Young, einem der Initiatoren des besagten Projekts, mit einer Million Dollar mundtot gemacht wurde. Dies ist für James Anreiz genug, den Schriftsteller aufzuspüren und die Hintergründe dieses Schweigegelds in Erfahrung zu bringen. Doch mit diesem Rechercheauftrag begibt sich James in tödliche Gefahr.
Andreas Eschbachs neuester Roman "Die Abschaffung des Todes" führt seine Leser auf eine Verfolgungsjagd um den halben Globus. Eschbach steuert zwar allmählich auf sein Renteneintrittsalter zu, doch davon ist nichts zu spüren. Der ehemalige Software-Entwickler und Unternehmer frönt mittlerweile seit mehr als einem Vierteljahrhundert seiner großen Leidenschaft, dem Schreiben von futuristisch anmutenden und zum Denken anregenden Romanen. Seinen großen Durchbruch verzeichnete er im Jahre 1998 mit "Das Jesus-Video", einer unglaublichen Geschichte, in der sich Archäologie-Studenten Bildmaterial über Jesus nahe wähnten. Seither begeistert Eschbach circa alle zwei Jahre seine Anhängerschaft mit einem neuen spannenden Roman über Mögliches und Unmögliches. Auszeichnungen und Ehrungen wurden ihm in den letzten 25 Jahren dafür zuhauf zuteil.
"Die Abschaffung des Todes" kommt mit über 650 Seiten als Schwergewicht daher. Ein ansprechend gestaltetes Cover, ein Lesebändchen sowie die rote Außenfärbung der Seiten machen das vorliegende Buch auf jeden Fall zu einem Hingucker. Auch inhaltlich weiß es hervorragend zu überzeugen. Eschbach hat sich dafür entschieden, seinen Protagonisten als Ich-Erzähler berichten zu lassen. Man hängt als Leser somit stets James Windover an den Fersen. Dieser reist mal mit maximalem Komfort im privaten Learjet seiner Milliardärin über den großen Teich, mal inkognito mit einer Flugschülerin über die Alpen nach Wien. Action ist garantiert in dieser Geschichte, die aber vor allem mit ihren Gedankenexperimenten über das, was bereits möglich ist oder in absehbarer Zukunft möglich sein wird, überzeugt.
Eschbach gelingt es mit einem Mix aus rasanten Szenen und nachdenklichen Passagen die Balance und den Leser über 650 Seiten hinweg bei der Stange zu halten. Die Möglichkeiten, den Tod abzuschaffen und das ewige Leben zu erlangen, sind so alt wie die Menschheit und auf den ersten Blick sicherlich sehr verlockend, doch hält diese Verlockung auch tiefgründigeren Gedanken stand? Der Autor hat nach eigenen Angaben in dieses Buch so viel Rechercheaufwand investiert wie in noch keines seiner Bücher zuvor. Als Leser sollte man sich auf die daraus resultierenden Ausführungen einlassen, um ein maximales Vergnügen aus diesem Buch ziehen zu können. Eschbach unterhält mit "Die Abschaffung des Todes" in bester und bekannter Manier und sorgt dafür, dass auch im Nachgang die Geschichte im Kopf des Lesers noch lange nicht abgeschlossen ist.
Christoph Mahnel
14.10.2024