Krimis & Thriller

Psychothrill der Extraklasse, der Angstzustände und Paranoia triggert; zumindest während der Lektüre

Lucy war neun, als ihr kleiner Bruder verschwand. Gemeinsam waren sie in der Nacht der Sommersonnenwende unterwegs, aber nur sie kehrte zurück. Was ist geschehen? Die Polizei setzte all ihre Hoffnung bei Teddys Suche auf Lucy. Sie war die einzige Zeugin und ihre Aussage der einzige Anhaltspunkt für die erfolglosen Ermittlungen. Doch ob ihre Erinnerungen an die Nacht wahr sind, weiß Lucy selbst nicht. Seit ihrer frühen Kindheit hat sie eine blühende Fantasie, die sie manchmal die Grenzen der Realität überschreiten lässt. Eine Fähigkeit, die gleichermaßen Segen wie Fluch ist. Drei Jahrzehnte später hat Lucy es geschafft, als gefeierte Krimiautorin aus dieser Eigenschaft Kapital zu schlagen. Ihre Ermittlerin Eliza Grey genießt Kultstatus bei Lucys Lesern. Doch für Lucy ist sie eine Last.

Eigentlich ist Lucy glücklich; wären da nicht ihre imaginäre Freundin, manifestiert im Detective Sergeant Eliza Grey und die ständigen Streitereien mit Ehemann Dan. Der hatte immer als Ziel, eines Tages Geld mit dem Schreiben von Krimis zu verdienen. Stattdessen unterstützt er seine Frau bei ihrer schriftstellerischen Arbeit, indem er die Buchhaltung und andere administrative Dinge übernimmt. Er ist Lucys Assistent. Gemeinsam leben sie in Bristol im Süden Englands. Doch als Dan sie mit dem Kauf eines alten, imposanten Hauses überrascht, beginnt für Lucy ein Albtraum. Das Haus steht ausgerechnet auf der anderen Seite des Waldes, in dem damals ihr Bruder verschwand. Lucy kann sich den Erinnerungen, die geweckt werden, nicht entziehen. Sie fühlt sich verfolgt von den damaligen Ereignissen.

Nicht nur ihr neuer Wohnort setzt Lucy schwer zu, sondern auch ihr Literaturagent und ihre Verlegerin. Im aktuellen Manuskript taucht Eliza Grey nur im ersten Kapitel auf; für Lucy der Versuch eines Befreiungsschlags, für den herausgebenden Verlag allerdings eine mittlere Katastrophe, außerdem ein Vertragsbruch. Lucy muss um ihre Zukunft schwer kämpfen. Dann verschwindet Dan spurlos, Lucy ist die Hauptverdächtige, und sie muss sich fragen, zu was sie wirklich fähig ist - und was damals im Wald geschah ...

Packend, perfide, atmosphärisch - in den Thrillern von Gilly Macmillan steckt eine Extraportion Spannung; mehr noch: "Die Vertraute" berauscht einen noch genialer als Drogen. Kaum aufgeschlagen, zieht die Story einen vollkommen in den Bann. Selbst wenn eine Bombe neben einem explodieren würde, könnte man mit der Lektüre nicht aufhören. Die englische Schriftstellerin ist ein Ausnahmetalent, das seinesgleichen sucht. Ihr Können haut einen glatt vom Hocker. Ihre Romane kosten einen die Nachtruhe, mindestens! Und diese rauben einem den Atem über viele, viele Stunden lang. Macmillan versteht es aufs Meisterlichste, Grandioseste, den Leser mit den eigenen inneren Dämonen zu konfrontieren. Sie führt ihn an die tiefsten, dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele. Das ist einfach nur der Wahnsinn!

Mit jedem Buch sorgt Bestsellerautorin Gilly Macmillan für Thrill-Time der höchstgefährlichen Sorte. Was die Britin schreibt, treibt den Puls auf weit über 180 Schläge pro Minute, und ist damit definitiv nichts für Leser mit schwachen Nerven. Ihr neuester Geniestreich, "Die Vertraute", bringt einen viel zu nah an einen Herzinfarkt. Diese Lektüre übersteht man nur ganz knapp lebend. Also, unbedingt Vorsicht!

Susann Fleischer 
24.01.2022

 
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Das Buch:

Gilly Macmillan: Die Vertraute. Aus dem Amerikanischen von Sabine Schilasky

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München: Blanvalet Verlag 2022 400 S., € 15,00 ISBN: 978-3-7645-0781-7

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