Krimis & Thriller
Ein Bestseller , wie er im Buche steht
Es ist der blanke Horror für die Familie Berkhoff: Gerade noch hat ihnen ihr sechsjähriger Sohn Max stolz das neueste Lego-Gefährt präsentiert, um anschließend auf dem Weg zum Nachbarsmädchen spurlos vom Erdboden zu verschwinden. Es findet sich weder eine Leiche noch ein Entführer, der Lösegeld verlangt. Der Verdacht fällt rasch auf Guido Tramnitz, einen psychopathischen Serientäter, der gerade dingfest gemacht werden konnte, nachdem er bereits mehrere Menschen, bevorzugt Kinder, grausam misshandelt und getötet hat. Doch bezüglich des Verbleibs von Max schweigt sich Tramnitz, der im Hochsicherheitstrakt der psychiatrischen Anstalt Steinklinik einsitzt, aus. Für Till Berkhoff, den Vater von Max, gibt es scheinbar nur einen Weg, um ein Jahr nach dem Verschwinden von Max endlich die Wahrheit zu erfahren. Er muss sich als Patient in die Steinklinik einschleusen und selbst zum Insassen werden, um Tramnitz persönlich zu stellen.
Mit Hilfe seines Schwagers, der bei der Polizei arbeitet, kann Berkhoff die Identität von Patrick Winter annehmen, einem Psychopathen, der sich mit Benzin übergossen hat und dabei ums Leben gekommen ist. Für den Notfall hat Tills Schwager für ein Handy und eine Kontaktperson in der Anstalt gesorgt, doch diese Rückfallebene bricht für Till innerhalb kürzester Zeit in sich zusammen. Stattdessen hat er gleich am ersten Tag einen Todfeind in seinem eigenen Zimmer, der Till mit brutaler Gewalt entgegentritt. Dessen Plan, an Tramnitz heranzukommen, erweist sich als scheinbar unmöglich. Weitere merkwürdige Gestalten, Patienten wie auch Ärzte, sorgen dafür, dass Till peu à peu den Verstand zu verlieren und tatsächlich zu einem dauerhaften Insassen in der Steinklinik zu werden droht.
Sebastian Fitzek hat dieses Szenario, das Thomas Manns "Zauberberg" nachzueifern scheint, in "Der Insasse" dramatisch ausstaffiert. Doch statt eines Pneumothorax leidet Till Berkhoff unter einer Situation, in die er sich zwar selbst hinein bewegt hat, doch die ihn in allerhöchste Lebensgefahr gebracht hat. Wer Fitzek kennt, weiß, dass dem Leser sowie Berkhoff eine höchst turbulente Achterbahnfahrt bevorsteht. Der Berliner Autor hat seit seinem schriftstellerischen Erstauftritt im Jahre 2006 mit "Die Therapie" die Pole Position des deutschen Psycho-Thriller-Genres inne. Jahr für Jahr liefert Fitzek einen oder zwei Bestseller-Romane ab. Obwohl der vorliegende Roman erst Ende Oktober erschienen ist, grüßt er doch vom ersten Platz der Bestseller-Listen für das gesamte Jahr 2018. Zwar mag das Weihnachtsgeschäft einen nicht unerheblichen Einfluss darauf gehabt haben, doch verkaufen sich neu erscheinende Fitzek-Romane einfach immer wie warme Semmeln.
Der nicht wirklich überraschende Titel "Der Insasse" prangt auf einem Buch, das wieder einmal völlig Fitzek-typisch mit einigen ganz besonderen Gimmicks daherkommt. Zum einen wäre da der einer Gummizelle gleichkommende, wattierte Einband der Hardcover-Ausgabe, zum anderen erheitert Fitzek seine Leser mit einer Danksagung am Ende des Buches, wie wahrscheinlich noch nie eine solche in der Literaturgeschichte verfasst worden ist. Die rund 370 Seite lange Geschichte um Till Berkhoff und das Verschwinden seines Sohnes Max ist natürlich wieder in ganz viele einzelne Kapitel zerlegt worden, 77 sind es an der Zahl. Doch kommt glücklicherweise kein Cliffhanger-Feeling auf, da es nur wenige Schauplätze und handelnde Personen in "Der Insasse" gibt. Rund 90 Prozent der Handlung spielen sich in der Steinklinik ab, neben Berkhoff aka Winter und Tramnitz sowie einigen undurchsichtigen Ärzten gibt es kaum Personen, auf die man sich als Leser fokussieren muss. Umso spannender bleibt die im Hinterkopf von Fitzek-Kennern spukende Frage, welche Wendungen der Autor denn dieses Mal in die Handlung eingebaut hat.
Ohne zu viel vorwegzunehmen, ja, auch im vorliegenden Buch hat Sebastian Fitzek am Ende wieder einmal kräftig gedreht und sorgt für offenstehende Münder und einen nachhallenden Aha-Effekt beim Leser. Klar, mittlerweile kennt man die Machart der Fitzek-Romane und weiß genau, worauf man sich einlässt, so dass man keine literarischen Überraschungen erfahren wird. Jedoch ist der Unterhaltungswert für die meisten Bücherfreunde immer noch einer der primären Treiber bei der Auswahl von Belletristik, was dazu führt, dass die Verkaufszahlen von "Der Insasse" auch nach Weihnachten weiterhin durch die Decke schießen werden. Völlig zurecht, denn je nach Lesetempo und Standhaftigkeit, das Buch entgegen dem inneren Drang auch mal aus der Hand zu legen, wird man von Fitzeks neuestem Bestseller einige Tage lang verdammt gut unterhalten.
Christoph Mahnel
07.01.2019