Kinder- & Jugendbücher
Nur ein kleines Versehen
Eine Stadt in Deutschland in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und ein immer währender Kampf zwischen Klasse A und Klasse B einer gewöhnlichen Schule. Beide halten sich für etwas Besonderes und zeigen dies auch. Die Schüler der entsprechenden Klassen halten sich in den beiden großen Pausen auf den ihnen zugeteilten Gängen auf, ohne einander Beachtung zu schenken. Doch eines Tages ändert sich dies auf dramatische Weise.
Alexander, ein Schüler der A-Klasse und Freund des beliebten "Maulwurfs", trifft auf dem Flur den B-Karli, der ein sehr interessantes Buch über der Menschen auf der ganzen Welt liest. Alexander stiehlt, angestachelt vom Gruber, der die B-Klasse mehr verachtet als jeder andere, dem armen B-Karli das Buch. Doch möchte er ihm dieses am nächsten Tag zurückgeben. Dazu wird es trotz guter Vorsätze aber nie kommen.
Zeitgleich wird in der A-Klasse eine Entdeckung gemacht: Der Maulwurf, der beliebteste Schüler seiner Klasse und ein kleiner Erfinder, hat sich eine neue Farbe ausgedacht. Diese sieht getrocknet aus wie Perlmutt. Alle sind fasziniert davon und möchten am Liebsten selbst die Farbe ausprobieren. In diese Aufregung mischt sich allerdings die Schulglocke, die das Ende der Stunde verkündet und somit Hektik verbreitet. Abends findet dann Alexander die Perlmutterfarbe in seiner Tasche und beschließt, sie auszuprobieren. Doch dieser Versuch geht daneben: Die Farbe läuft über das wertvolle Buch, das Alexander dem B-Karli entwendet hat, und ruiniert es. Jetzt muss schnell gehandelt werden. Also lässt er die Farbe verschwinden und wirft das Buch in den Ofen.
Nach diesem ereignisreichen Tag steht der nächste vor der Tür. Der B-Karli fordert sein Buch zurück. Doch Alexander streitet ab, dieses an sich genommen zu haben. Unterstützt wird sein Dementi vom Gruber, der nun seine große Chance gekommen sieht, Anerkennung in der Klasse zu erhalten. Außerdem wird an diesem Tag das Fehlen der Perlmutterfarbe aufgedeckt und weitere Diebstähle stehen im Raum. Recht bald ist dann der vermeintlich Schuldige gefunden: der B-Karli. Es entsteht eine Hetzjagd gegen die B-Klasse, der sich allerdings sechs Schüler der A-Klasse, unter ihnen der Maulwurf und der starke Knockout, entgegenstellen. Diese setzen sich für die Gerechtigkeit ein, während es den anderen im Grunde genommen nicht um die Wahrheit geht, sondern darum, als A-Klasse besser dazustehen als die B-Klasse. Nach vielen Tagen mit Verdächtigungen, Spionage, Drohungen und Handgreiflichkeiten kommt es bei einem Ausflug zum großen Showdown.
Anna Maria Jokl musste 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland flüchten und kam für viele Jahre in Prag unter, wo sie auch ihr bekanntestes Buch "Die Perlmutterfarbe" schrieb. 1939 musste sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 1939 erneut fliehen, ohne die Möglichkeit zu haben, ihr wertvolles Manuskript mitzunehmen. Doch Jokls Lebensretter rettete auch ihr Manuskript. Das Buch beinhaltet alle Charaktere, denen man gleichermaßen auf der Straße oder in seiner näheren Umgebung begegnen kann: die Kluge, der Schweigsame, der Neugierige, der Schläger, der Schüchterne, der Im-Mittelpunkt-stehen-Wollende und viele andere. Dabei zeigt sich, dass sich die Charaktere im Laufe des Buches wandeln können: Sie ändern ihre Meinungen und lassen sich von der "richtigen" Seite überzeugen. Doch jeder Schüler für sich genommen, unabhängig davon ob A oder B, hat einen Wesenszug, den der Leser selbst an sich wiederfinden kann. Die Namen der einzelnen Figuren lassen auf deren Eigenheiten rückschließen.
Die Sprache, die in den 30er Jahren in Deutschland gesprochen wurde, ist nicht mehr mit der heutigen zu vergleichen. Durch sie entsteht eine Authentizität, die den Leser in eine Vergangenheit trägt, die zum Schmunzeln einlädt. Das Buch ist zwar an einigen Stellen etwas langatmig, verliert aber nichts von der Spannung, die erst am Schluss endgültig gelöst wird. Zudem ist es, wie der Untertitel verrät, nicht nur für Kinder gedacht, sondern gleichsam für Erwachsene geeignet.
Susann Fleischer
23.03.2009