Kinder- & Jugendbücher

Menschenrechtsklassiker als Graphic Novel

Maycomb, Alabama, 1933. In dem beschaulichen Ort in den Südstaaten der USA wachsen Scout und ihr Bruder Jem bei ihrem Vater, dem angesehenen Anwalt Atticus Finch, ohne ihre bereits verstorbene Mutter auf. Der Schein einer Kleinstadtidylle trügt jedoch. Der Alltag in Maycomb ist wie vielerorts im tiefsten Süden der USA zu dieser Zeit geprägt von Rassismus, Anfeindungen und Verleumdungen.

Eines Tages wird Atticus, der sehr darauf bedacht ist, seine Kinder zu offenen und eigenständigen Persönlichkeiten mit einem Sinn für Gerechtigkeit und Gleichheit zu erziehen, selbst Zielscheibe dieses Hasses. Er verteidigt den schwarzen Landarbeiter Tom Robinson vor Gericht, der beschuldigt wird, ein weißes Mädchen aus Maycomb vergewaltigt zu haben. Dass Atticus, der überzeugt ist von der Unschuld des Schwarzen und entsprechende Indizien vorbringen kann, einen solchen Menschen verteidigt und für unschuldig hält, ist den Bewohnern Maycombs ein Dorn im Auge.

Nach dem Urteil, das Robinson für schuldig erklärt, werden Atticus und seine Kinder zur Zielscheibe des Hasses. Der Vater der Klägerin lauert Scout und Jem eines Abends auf dem Nachhauseweg auf und greift sie an. Hilfe erhalten die beiden Kinder an diesem Abend ganz unerwartet von einer Person, die sich bisher auch vor den Anfeindungen und Beschuldigungen der Bewohner Maycombs verstecken musste.

Harper Lee, die 2016 im Alter von 89 Jahren verstorben ist, landete 1960 mit ihrem ersten und bis 2015 auch einzigen veröffentlichten Roman einen großen Erfolg, der ihr den Pulitzer-Preis einbrachte und die literarische Welt um einen modernen Klassiker reicher machte. Nach einer oscarprämierten Verfilmung 1962 und der Veröffentlichung von "Gehe hin, stelle einen Wächter" 2015, der Version des "Wer die Nachtigall stört"-Stoffes, die ursprünglich vorher geschrieben wurde, aber 20 Jahre später spielt, hat sich nun der britische Zeichner Fred Fordham an die Bearbeitung von "Wer die Nachtigall stört" als Graphic Novel gewagt.

Fordhams Version unterscheidet sich - abgesehen von dem Offensichtlichen, nämlich den Bildern - kaum von der Originalversion. Er hat sich, was den Text betrifft, sehr eng an Lees Romanversion gehalten. Auch sprachlich bleibt er bei den Formulierungen, die sie 1960 bewusst verwendet hat. So ist auch das Wort "Nigger" ein wesentlicher Bestandteil dieses Buches, da es die Wirklichkeit der damaligen Zeit widerspiegelt.

Um die fiktive Stadt Maycomb porträtieren zu können, fuhr Fordham nach Monroeville, der Heimatstadt Harper Lees, die Pate stand für den Ort des Geschehens im Roman. Die Häuser und Straßen Monroevilles finden sich nun in gezeichneter Version in Fordhams Graphic Novel wieder. Um das heutige Monroeville in die 1930er Jahre zu versetzen, baute er vor allem auf die Farbgebung in seinen Bildern. Ein weiteres Merkmal seiner Zeichnungen ist die ausgeprägte Licht-Schatten-Gestaltung, die den Bildern ihre Ausdrucksstärke verleiht.

"Wer die Nachtigall stört" steht wie kein zweiter moderner Klassiker der US-amerikanischen Literatur für Humanismus und Gerechtigkeit - Werte, die zeitlos sind und daher Lees Roman schon so bald nach seinem Erscheinen zu einem Klassiker haben werden lassen. Mit der Bearbeitung als Graphic Novel finden hoffentlich neue Generationen einen Zugang zu diesem Werk, das in dieser bebilderten Version natürlich vermehrt Jugendliche und Comicfans ansprechen soll.

Sabine Mahnel
07.01.2019

 
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Das Buch:

Harper Lee: Wer die Nachtigall stört. Mit Illustrationen von Fred Fordham. Aus dem Englischen von Claire Malignon. Überarbeitet von Nikolaus Stingl

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Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2018
273 S., € 20,00
ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-499-21822-4

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