Gedichtbände

Dr. med. Bernhard J.M. Diehl: Die große Chance

Bernhard Diehls Lyriktrilogie "Die große Chance" erscheint 2015 im Frankfurter Literaturverlag. Sie umfasst die Gedichtbände "Zwischendurch", "Übrigens", "Und dennoch".

Bernhard Diehl ist Arzt und Dichter mit gleicher Leidenschaft. Person und Werk prägt eine besondere Erfahrung: In den Siebzigerjahren war der Lyriker als junger Krankenpfleger in die Geiselhaft des Vietcong geraten. In Dschungel und Gefängnis durchlebte er Folter und Qualen. Gelegentlich gelang es ihm als Gefangener, Gedichte oder Geschichten zu verfassen und aufzuschreiben. Obwohl politisch völlig unverfänglich, wurden diese Manuskripte bei seiner Freilassung kurz vor der Ausreise aus Nordvietnam auf Order des Staates konfisziert. Trotz zahlreicher Appelle, Bitten und Petitionen kam es über vierzig Jahre lang nicht zur Aushändigung der Schriften. Fehlende Reaktionen und Desinteresse prägten das Bild sowohl auf vietnamesischer Seite als auch bei den deutschen Diplomaten.

Genauso spannungsgeladen wie Diehls Vita zeigt sich nun seine Lyriksammlung, die die Stationen seiner gehandicapten Dichterkarriere widerspiegelt. Bei der Lektüre wird rasch klar, dass Diehl einen eigenen Stil pflegt. Ob Reime, Wortschatz oder Sprachstruktur, dem Leser öffnet sich bei fortschreitender Beschäftigung mit Diehls Werk ein dichterspezifisches Repertoire. Doch was wie für den Eingeweihten anmutet, ist erschließbar!

Diehls Sprache ist authentisch, die Themenwahl vielfältig: Politik und Religion, der Mensch an sich sowie die Dichtkunst als solche, die im Falle Diehls auch die Metafrage nicht scheut: "Wie sinnvoll ist’s, das alles aufzuschreiben?"

Echte Lyrik ist es allemal, auf die sich der "dichtende Arzt" versteht, doch darf man sich auch ungeübt darauf einlassen; denn anspruchsvoll ist sie, aber machbar, der Lesegenuss stets ungetrübt. Streckenweise, gerade bei lautem Lesen, brilliert der ungestörte Fluss von Sprache und Versen in einer Weise, die Diehls dichterisches Talent unüberhörbar offenbart. Bisweilen spricht der Dichter aber auch eine recht deutliche Sprache, mit Biss und scharfer Zunge, wie er dem Leser gesteht. Meistens dann, wenn er den Vietcong beschimpft, denn mit Kommunismus hat Diehl nichts am Hut.

Auch sein "Stück Weisheit", die Bescheidenheit, vergisst er nie, referiert auf den kleinen Dichter und das Menschlein, auf das wir letztendlich alle reduzierbar sind. Was seine Dichtung als solche betrifft, will er für klare Verhältnisse und Ordnung sorgen, bevor er die letzten Zeilen schreibt und von der Bühne geht, wenn die große Show einmal vorüber ist.

Bernhard Diehl ist ein "Vieldichter", aber einer, dessen Begabung außer Frage steht und der seine Kunst beherrscht. Wenn er sich mit Blick auf sein Werk wünscht, nicht einfach nur gelesen, sondern erlebt zu werden, darf er sich des Erfolges sicher sein.

Hugo Meyer
15.02.2016

 
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Das Buch:

Dr. med. Bernhard J.M. Diehl: Die große Chance

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Frankfurt: August von Goethe Literaturverlag 2015 470 S., € 26,80 ISBN: 978-3-8372-1767-4

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