Gedichtbände

Berliner Bilder

Das im vergangenen Jahr in Caxias do Sul (Südbrasilien) publizierte zweisprachige Bändchen Quadros Berlinenses / Berliner Bilder von João Claudio Arendt, übertragen von Sarita Brandt, wurde sowohl in Brasilien (2013) als auch in Berlin (2014) vorgestellt. Der Ausgangspunkt der Gedichte ist die persönliche Situation des Autors, eines 2011 in Berlin lebenden brasilianischen Intellektuellen in der privilegierten Position des interkulturellen Beobachters: Während eines Forschungsaufenthalts am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin schrieb João Claudio Arendt in verdichteter Form all das auf, was ihm auf seinen Streifzügen durch die Stadt begegnete.

Obwohl er Deutsch spricht, verzichtete der Dichter darauf, sein Werk selbst zu übersetzen: für die fachkundige Nachdichtung sorgte Sarita Brandt. Diese "Brückenbauerin", um ein Wort von Vilém Flusser zu gebrauchen, präsentiert eine ausgefeilte Übersetzungsarbeit, die es vermag, über den Abgrund zu setzen und die Hemmnisse zwischen der portugiesischen und der deutschen Sprache zu überwinden. Obwohl das Übersetzen eine eigenständige Aufgabe ist, die sich von der des Dichters unterscheidet, wie Walter Benjamin anführt, so entsteht doch der Eindruck, João Claudio Arendt habe als Arbeitsmethode auch eine Eigenübersetzung seiner Gedichte wagen können. Die grundsätzliche Unübersetzbarkeit der Sprachen, auf die Flusser hinweist, hätte in diesem Fall die tatsächliche Voraussetzung der Dichtkunst von Arendt bilden können.

In diesem Gedichtband, in dem viele Haikus, aber auch Gedichte mit gemischter Metrik zu lesen sind, hat der Autor, wie gesagt, seine eigenen Beobachtungen in der deutschen Hauptstadt mit einfließen lassen. Auch gesellschaftliche Aspekte schlagen sich literarisch darin nieder, sodass der individuelle Charakter von Berliner Bilder durchaus Anklänge an das Allgemeine aufweist.

Im "Prä-Text", dem Vorwort, schreibt Arendt: "Mit diesem zweisprachigen Gedichtband versuche ich nicht, die Stadt zu erklären, sondern dem Leser die Möglichkeit zu geben, diese - wie ich - in einigen ihrer natürlichen und kulturellen Färbungen zu erleben." Der Leser fragt sich daher, ob die Gedichte in Berliner Bilder einer "Erfahrung" gleichkommen (Warnehmungen, Erinnerungen an einen Aufenthalt, an eine Reise, an etwas, das erneut und stets von neuem erlebt wird) oder einem "Erlebnis" (etwas sinnlich Empfundenes, Privates, Zartes und für andere Bedeutungsloses).

Laut Walter Benjamin verweist "Erfahrung" auf das Verb "fahren" in seiner vielfachen Bedeutung von eilen, sich fortbewegen, reisen, befördern, chauffieren, fortbringen, kutschieren, lenken, steuern, geleiten ... Als einer, der von weit herkommt - als Reisender - offenbart Arendt seine Erfahrung als gewählter Weg. Er spürt Orte der Erinnerung auf, lässt sie auf sich wirken und geht über sie hinaus: es handelt sich beispielsweise um Boulevards wie den Ku'damm und Unter den Linden, den St.-Matthäus-Kirchhof, den Heinrichplatz, den Tiergarten, den Wannsee, das Konzentrationslager Sachsenhausen, die Spree. Berliner Bilder weist somit viele Spuren des sozialen Umfelds auf, in dem João Claudio Arendt sich bewegt hat.

Dieses Buch ist der Versuch, sich ein (mit)teilbares Kulturgut anzueignen - "Aus diesem Grund habe ich mich lieber mit einigen alten Bekannten unterhalten, mit jenen, die einen Nominativ verdienen: Brecht, Kafka, Rilke, Schiller, Goethe ..." - und sich einer Erfahrung im eigentlichen Sinn zu stellen. Es widersetzt sich den widrigen Umständen eines zeitgebundenen Erlebens, den Empfindungen eines einsamen Individuums, dessen Reaktionen stereotyp erfolgen, das keine Zeit hat, seine Erfahrung in einem umfassenden Sinn zu verarbeiten und somit nicht in der Lage ist, ein Bild seiner selbst zu entwerfen.

In einer Zeit, in der die Erinnerung eine schwierige, private und fragmentarische Angelegenheit ist, in der Möchtegern-Dichter aus dem Boden schießen, Autoren schiefer und leicht lesbarer Verse, die kaum etwas mitteilen, zählt João Claudio Arendt, der bereits 2009 einen preisgekrönten Gedichtband mit dem Titel Plural da Ausência vorgelegt hat, zu der erlesenen Gruppe brasilianischer Dichter des 21. Jahrhunderts, die eine bis ins einzelne ausgearbeitete Sprache und eine starke Signatur aufweisen.

Hoffen wir, dass im Verlauf des Projekts "Deutschland + Brasilien 2013 - 2014", dessen Ziel es ist, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu erweitern und zu vertiefen, der Zusammenarbeit eine größere Visibilität zu verleihen und Partnerschaften anzuregen, auch die Berliner Bilder die entprechende Aufmerksamkeit finden und der Welt zeigen, dass die zeitgenössische Literatur Brasiliens alles andere ist, als ein Hund im Kostüm einer Sambatänzerin, wie man auf einem Plakat der Frankfurter Buchmesse, deren Ehrengast 2013 Brasilien war, sehen konnte.

Vitor Cei
22.04.2014

 
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Das Buch:

João Claudio Arendt: Berliner Bilder/Quadros Berlinenses. Aus dem Portugiesischem von Sarita Brandt

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Caxias do Sul: Maneco 2013
84 S., € 8,99
ISBN: 978-85-7705-200-4

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