Gedichtbände

Kaleidoskop - in Versform gebracht

"Der größte Dichter aller Zeiten" - so ist das Buch von Gerhard Füchsl betitelt. "Kein bescheidenes Augenmaß", wird man sagen. Aber wer dem Autor wirklich gerecht werden will, sollte zuerst das Titelgedicht lesen und darin den humorvollen Unterton genießen, mit dem gesagt wird: "Was hab ich schon geschrieben und tolle Gags zu Blatt gebracht." Dazu der Hinweis an Ausländer: "I am the best!" Das klärt einiges zur heiteren Gemütslage dieses Buches.

Erschrecken sollte man auch nicht ob des Untertitels. Denn "Jenseits von Gut und Böse" meint nicht Friedrich Nietzsches 1886 erschienenes gleichnamiges Werk und schon gar nicht dessen Schlussfolgerungen für die Moral. Dafür ist Gerhard Füchsls Buch zu leichtfüßig geschrieben. Aber eben: nicht nur! Die rund 140 Seiten bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen, was das Niveau und die Sprachform betrifft. Es gibt neben der spaßigen "Wanne" auch das ernste Stück "Die Erde". 

Kritische Leser könnten deshalb ein Positionierungsproblem orten und sich darob irritiert fühlen. Sie könnten aber ebenso gut sagen, dass dem "größten Dichter aller Zeiten" hier ein poetisches Übungsbuch gelungen sei, dass einen beweglichen Kopf verlange und ihn geradezu trainiere. "Letztendlich lass ich alles gelten", Füchsl selber gibt sich erfrischend offen. 

Das erlaubt es, dieses oder eben jenes zu bewundern. Beispielsweise die Rhythmik im Gedicht "Erleuchtung" oder die Pointenlust im "Spiegel", die sprachlichen Reflexionen im "Erbarmen" oder die komprimierten Formen, die erfreulich gut geschrieben sind im Vergleich mit der Redseligkeit mancher anderer Autoren. Die Dichte ist oft so gelungen, dass sich Aphorismen ergeben, zum Beispiel beim Gedicht "Nachtragend". 

Füchsl zeigt sich in vielen Passagen kreativ, an manchen Stellen sogar provokativ. Jedenfalls ist es doch recht gewagt, einen Jogger am Grab traben zu lassen. Sicher ist das Überraschende gerne mit von der Partie. Man braucht sich bloß mit dem Wagenheber zum Prater zu begeben. Dass man den Clown auch mit der Verbform "clown" auftreten lassen darf, nimmt man gerne und lachend zur Kenntnis. Und dass Korn sympathischer aufgenommen wird, wenn es männlich im Glas getrunken wird, statt es sächlich zu Mehl zu mahlen, liegt auf der Hand. 

Fragt man sich, welchen Weg man dem vielseitigen Autor raten soll, so kann man (muss man aber nicht) empfehlen, doch die Sprachform weiter zu pflegen, die sich im Gedicht "Hände bitten" findet. Hier treibt der Autor den Leser wacker mit assoziierenden Wörtern vor sich her. Ähnlich knapp und treffend gibt sich das Gedicht "morgen ist anders". Beides sind starke Stücke, ohne Zweifel. Sprachlich besonders schön gelungen liest sich "es gibt es nicht". 

Nun also. Der Leser wird "Der größte Dichter aller Zeiten" fast wie ein Kaleidoskop in der Hand halten, das ihn erheitern oder bedenklich stimmen mag, aber ob vielen Vergnügungen am Ende doch zum Jüngsten Gericht führt. Ob der Ernst die bessere Seite des Buches ist? Hier dürfte Gerhard Füchsl bestimmt den größeren Respekt holen, aber vielleicht schreibt er eben gar nicht eines erhofften Respektes wegen.

Mit "Der größte Dichter aller Zeiten" ist Gerhard Füchsl ein besonderes Werk gelungen, das vor allem für junge und mental jung gebliebene Leser interessant zu lesen ist.

Ronald Roggen
29.04.2013

 
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Das Buch:

Gerhard Füchsl: Der größte Dichter aller Zeiten. Jenseits von Gut und Böse

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Frankfurt: August von Goethe Literaturverlag 2013
141 S., € 12,80
ISBN: 978-3-8372-1166-5

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