Gedichtbände
Sprüche - und dazu Gedichte
"Lyrik, von Sprüchen begleitet", dies schreibt Peter Bostelmann im Untertitel zu seinem Band "Die Augen des Augenblicks". Oder sind es Sprüche, die von lyrischen Gedichten begleitet werden? In seiner lesenswerten Sammlung stehen die Sprüche über den Strophen, und ihr Bezug zu diesen ist hier eng, dort sehr offen. Es ergibt sich eine hübsche Spannung zwischen beiden, und das macht die Lektüre überaus reizvoll. Der Autor äußert sich über diese Verknüpfung wie folgt: Darin werde versucht, "in den Augen des Augenblicks dem Innersten in uns nahe zu kommen". So weit, so gut. Wenn das Wortkonstrukt "Augenblick" nur nicht so schwer verständlich wäre!
"Das Leben ist ein Sein in Ketten", heißt es in einem der Sprüche, "an denen man schmiedet, um herauszutreten, mit denen man rasselt, um Musik zu machen". Die Sprache erscheint in komprimierter Form, kein Wort ist zu viel, und jedes Wort ist von hohem spezifischem Gewicht. Gemeint ist die gebündelte Aussagekraft der Sprache Bostelmanns. Sie zieht den Leser nicht etwa in die Tiefe - im Gegenteil: Viele dieser Schöpfungen sind überaus anmutig und scheinen zu schweben, wie das Gedicht "Blühend lebendig" etwa, oder "Geborgen". Andere lassen Urgewalten ausbrechen ("Schreie"). Es steckt immer sehr viel drin, in diesen Wortfügungen. "Knöpf dem Einerlei die Bluse auf", fordert der Autor auf. "Trinke die Freude, die Zukunft heißt". Da möge es einer versuchen, es treffender, packender und kürzer zu formulieren!
Der Humor ist unverkennbar: "Wenn Gänse schnattern, geht es um die Karpfen im nahen Teich und ihr Ende zum Jahreswechsel." So wird das Lesen der Sprüche zum erhellenden Vergnügen. Die Sätze führen zu Pointen, und sie überraschen durch ihre kühne bildliche Ausdrucksweise: "am Strand wieder die Wolken stehlen". Bostelmann lässt den Leser "den Feind umarmen", bis dieser um Gnade bittet.
Viele Beiträge sind auch durchaus kritischer Art. Das darf etwa vom "Hampelmann" gesagt werden: "Das Spiel der Spiele: ziehen und gezogen werden." Thematisch entstammt vieles der Natur, vor allem der Tierwelt und hier insbesondere der gefiederten. Dazwischen lässt der Autor einen Affen auftreten: "Ich bin strikt gegen das Töten, sagte der Affe und setzte seine Läuse den anderen ins Fell." Auch hier: Die Sprache sitzt.
Da vermutet man zu Recht eine respektable Vita dahinter. Tatsächlich: Peter Bostelmann ist älteren Jahrgangs, in Stettin geboren und in Ribnitz (Mecklenburg) aufgewachsen. Er studierte an der berühmten Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig, ehe er Lehrer und Fachschuldozent wurde. Wer sich in seine Gedichte weiter vertiefen will - und das lohnt sich auf jeden Fall -, kann es in seinen früheren Veröffentlichungen tun: "Schmetterlingsträume im Schnee" (2004) und "LebensFluss" (2006).
Der kleine Band eignet sich hervorragend als Geschenk, weil er bereichert, ohne zur Last zu fallen. Man wird die Beiträge gerne langsam lesen, um sie wirken zu lassen. So erst verbreiten sie - nach einem Wort Bostelmanns - ihren Duft.
Ronald Roggen
12.03.2012