Gedichtbände
Der Berg geht zum Meer
Der Schweizer Autor, 1935 in Zürich geboren, ist ein vielseitig gebildeter und interessierter Mann. Seinem Credo entsprechend: "Jeder produktive Mensch offenbare durch seine Gedanken und Werke ... einen Teil des Weltgeheimnisses", entdeckt er dem Leser in der Tat eine Welt.
Die Komposition dieses Gedicht-Bandes, seines dritten, zeugt von beträchtlichem Gestaltungswillen. Traditionell begonnen mit dem Jahreslauf in "Das Zeiten-Rad", den Monatsgedichten von Januar bis Dezember, steht gegen Ende dieses ersten Kapitels ein Text mit dem programmatischen Titel "Sehereignis". Ja, August Guido Holstein kann sehen, vieles und anderes als andere. Seine sprachliche Kraft vermittelt Beobachtung, Erkenntnis und Idee weiter. Denn: Menschen wollen sich anrühren lassen. Sie haben oftmals nicht den Blick für Dinge, hinter die Dinge und keine Worte dafür. Worte, künstlerische, aber schließen sie auf.
Es ist geradezu eine poetische Eigenart, in allen Kapiteln der Gedichtsammlung spürbar, dass Worte, vereinzelt - ob als sprachliches Bild, als Verallgemeinerung oder als metaphysisches Fragezeichen -? zu unverwechselbaren Solitären werden, die einem bleiben. "... denn Leben ist immer Begegnung mit dem anderen" (S.111) oder "... nur was sich bewegt bringt Wärme" (S.17), sind nur zwei einprägsame Beispiele dafür.
Die Monatsgedichte ebenso wie die Baum- und Blumengedichte im "Park auf der Insel" bergen ganz gegenständliche Bilder, in denen aber - wundersame Verwandlung - Natur verlebendigt, vermenschlicht und gleichzeitig vergeistigt wird ("Bäume", S.131). Landschaft wird als Musik wahrgenommen, bildende Kunst reflektiert ? als "Energie ... auch zwischen Natur und Kunst" (S.89).
Das Titelkapitel stellt die Stein- und Bergwelt dem Wasser gegenüber. Das poetische Sprechen von Elementen und Elementarem zeitigt in "Eingebung" (S.93) das suggestive Bild von "Steinen als die Bücher dieser Erde - Steinen als die Uhren dieses Planeten". Es ist dies ein überzeugendes Beispiel dafür, wie produktiv das naturwissenschaftliche Interesse des Autors - an Geographischem, Botanischem - für sein literarisches Schreiben ist.
Zum Schluss begegnen sich in den "Planeten" Natur und Imaginäres in den fernen Welten. Ganz am Ende aber steht "Erde", den Kreis schließend. Der Kosmos ist ausgeschritten: die Entstehung des Lebens, seine Rätsel, das Leben als Aufgabe für den Menschen.
Die dem Band beigegebenen schönen, beredten graphischen Blätter von Thomas Holstein treffen genau den besonderen Ton des künstlerischen Ausdrucks des Vaters.
hv?
12.01.2003