Erz?hlungen & Kurzprosa

Eine Ästhetik des Flüchtigen , die im Gedächtnis bleibt

Eine Ausnahmestellung auf dem aktuellen, von Romanen und Sachbüchern dominierten Buchmarkt nehmen Aphorismen oder auch Aperçus ein, von denen man annehmen könnte, sie entstammen einer längst untergegangenen Epoche, in der man noch den Müßiggang pflegte und die Beschäftigung mit Literatur etwas Kontemplatives hatte. Wer heutzutage in Buchhandlungen nach Aphorismen Ausschau hält, muss lange, wenn nicht sogar in antiquarischen Gefilden, suchen bis er fündig wird. Umso erfreulicher ist die Veröffentlichung eines neuen Bandes des Autors Helmut K. Bücken im AUGUST VON GOETHE LITERATURVERLAG, der sich dieser mitunter unterschätzen Gattung widmet. Die Lektüre der Aperçus verspricht ein erheiterndes Lektüreerlebnis nicht nur für Liebhaber und Kenner dieser reduzierten Form sondern auch für Leser, die sich innerhalb der Literatur gerne auch mal dem Außergewöhnlichen widmen.

Was das Werk von Helmut K. Bücken besonders macht, ist das Zusammenspiel aus Illustration und Sprachwitz. Alle im Band aufgeführten Strichzeichnungen stammen aus seiner Hand und die die Zeichnungen unterstreichenden Sinnsprüche gehen ebenfalls auf seinen Einfallsreichtum, sein ebenso waches wie kreatives Auge, zurück. Unter diesem Aspekt betrachtet ist dieses Buch in der Tat ein literarisches Erzeugnis, das aus der Masse des Oberflächlichen und Gewohnten, mit dem der Buchmarkt zugeschüttet wird, heraus sticht. Es verbietet sich eine hastige Lektüre als Werk, das man "mal so, zwischen Tageszeitung und Morgenkaffee mitnimmt", denn die Wirkung entfaltet sich aus dem konzentrierten Betrachten und Lesen. Nur wer sich darauf einlässt, auf den genauen Blick auf die Zeichnung und das dazugehörende Verstehen des Ausspruchs, fasst den Zusammenhang in seiner Gänze auf.

Ein konkretes Beispiel sei an dieser Stelle versucht zu erwähnen: Ein älterer, am Stock sich haltender Herr legt seinen Arm um die Schulter einer weit jüngeren Dame, die ihn allerdings keines Blickes würdigt und ihm den Rücken zuwendet: Darüber liest sich folgender Spruch: "Alter Galan, junges Blut,/diese unter einem Hut,/auf die Dauer geht´s nicht gut./Doch Alter schützt vor Torheit nicht,/und solche Liebschaften meist zerbricht."
Wird danach gefragt, was das Aperçu kennzeichnet, kann auf die Flüchtigkeit des Blickes verwiesen werden, der einher geht mit einem geistreichen oder scharfsinnigen Einfall. Spricht man vom Aperçu oder dem Aphorismus, kommt einem das Bonmot, die Randbemerkung, die zufällig getroffene, dem Augenblick entlehnte Notiz in den Sinn. Worte, die auf die Charakterisierung einer komischen Alltagsbegebenheit oder eines menschlichen Fehltritts, der seine Verniedlichung findet, zielen und durch die Knappheit ihres Ausdrucks im Gedächtnis bleiben. Helmut K. Bücken kleidet seine Aphorismen in Schärfe, Witz und Ironie.

Dabei gelingt es ihm, die menschliche Schwäche oder die allseits bekannten kleinen Sünden zwar zu karikieren, sie jedoch nie als Verunglimpfung des Homo sapiens zu werten, denn dafür ist das Skizzierte stets Teil eines umfassenden Identifikationspotentials. Was Bücken mittels Zeichnung und Worte zum Ausdruck bringt, ist uns nicht fremd.
"Ich kann alles, bin in Form, meine Leistung ist enorm,/bin der Beste ich seit Jahren/hab nur immer Lob erfahren./Doch dann kam der grosse Knall/mit dem Hochmut vor dem Fall." Und auf gleicher Seite noch hinzugefügt und am Bild eines abstürzenden" Bergsteigers (sic!) untermauert: "Und zuviel Mut tut niemals gut." Wo der Autor Recht hat, hat er Recht. Ein letzter Hinweis sei an dieser Stelle noch gegeben: Wer auf der Suche nach ausgefallenen, literarischen Geschenken ist, um anderen eine Freude zu machen, darf bei Bückens Aphorismen gerne zugreifen. Sie sind eine Bereicherung. So oder so!

Dr. Matthias Deußer
28.09.2015

 
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Das Buch:

Helmut K. Bücken: Aperçus

Frankfurt: Frankfurter Literaturverlag 2015
209 S., 16,80 Euro
ISBN: 978-3-8372-1730-8

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