Erzählbände & Kurzprosa

Gestorbene Gegenstände

Das Fotografieren ist ein Faible von Thomas B?hme. Immer ein pers?nliches Faible, das dann doch nicht privat bleibt. Mit der Publikation ?Jungen vor Zweitausend? pr?sentierte sich der fotografierende Schriftsteller erstmals der ?ffentlichkeit. Nun ist der Band ?Widerstehendes? da. Der ist keine beliebige Fortf?hrung. Die Poesie der Farbfotos, die Philosophie der Texte machen den Bild-Wort-Band zu einem B?hme-Buch der unvergleichbaren Art.

Fl?chtig auf- und durchgebl?ttert, werden die Unachtsamen den Band sofort wieder aus der Hand legen. Ein Aufmerksamer, n?mlich der Autor-Fotograf, verlangt die ungeteilte Aufmerksamkeit von den lesenden Betrachtern. Unaufdringlich-dr?ngend erteilt der ambitionierte B?hme mit jedem Bild, mit jedem Wort Lektionen. Jedes Foto ist das Foto eines Menschen, dessen Augensinn ungetr?bt ist. Jedes Wort ist das Wort eines Menschen, der keine Vokabel vergeudet. Jedes Foto, jedes Wort ist f?r Menschen, die, sehend, nicht ?bersehen, die, lesend, nicht ?berlesen. Sehen hei?t, zu sehen, da? nichts nichtig ist. Kein zerfallendes Wagenrad, kein br?selnder Balken, keine rostzerst?rte Leuchte, keine ausgediente Bahnhofsuhr. Lesen hei?t, sich beteiligen zu lassen an den Geschichten der ?gestorbenen? Gegenst?nde, die ein Nach-Leben haben. Ein Nach-Leben, das nur die Seher wahrnehmen. Ein Nach-Leben, an dem nur die phantasievollen Leser teilnehmen.

Thomas B?hme ist ein phantasievoller Seher. Er verleitet zum Sehen und Zuh?ren. Eher zum Sehen. Und das mit Bildern, die scheinbar zuf?llig Aufgefundenes, Aufgenommenes aufbewahren. 24 Bilder, die bei den Aufmerksamen, bei denen, die f?r die Aufmerksamkeit gewonnen werden, ohne Ausnahme ankommen. Bilder, die in ihrer Sinnlichkeit alles sind, was ein Bild sein kann, das alle Sinne ber?hrt und bewegt. Bilder, die jedem Betrachter erz?hlen, was er sich beim Betrachten der Bilder zu erz?hlen vermag. Bilder, die keinen Text brauchen, die Text genug haben ? sofern man m?chte. Niemand mu? die Texte von Thomas B?hme lesen, mit denen er seine Bilder begleitet. Die Bilder, simpel als ?Schnappsch??e? bezeichnet, stecken bei B?hme in festgezimmerten, schwarzlackierten Text-Rahmen. Will sagen, jene Leichtigkeit, die in den Bildern ist, ist nicht selbstverst?ndlich auch in den Texten. Obwohl, dann und wann, ein kurzer frozzelnd-ironischer Ton kurz zum Klingen kommt. Der aufmerksame Autor Thomas B?hme ist ein Ernsthafter. In seinen S?tzen ist die Stimmung der Melancholie st?rker als die des Scherzes. B?hme will sich nicht leichtfertig ?ber alles Verg?nglich-Schmerzliche in der wirklichen, der wahrgenommenen Welt hinwegsetzen. Das Weggucken, das Wegh?ren ist es, was der Autor mit seinen fotografischen Fund-St?cken, mit seinen Schrift-S?tzen hintertreiben m?chte. Und sei's mit dem ihm eigenen unvermeidbaren p?dagogisch-philosophischen Ernst.

Wer nicht anders kann sieht nur, was an Lehrhaftem, Melancholischem, Absterbendem in den Bildern ist. Wer anders kann sieht das Lebhafte, Frohsinnige, Aufwachende, das in den Bildern ist. In jedem Foto ist auch ein anderes Foto. In jedem Text ist auch ein anderer Text. Der Autor und Fotograf macht das Angebot, alles Gesehene noch einmal anders zu sehen, alles Gesagte noch einmal anders zu sagen. So sieht man ?Mit Blicken durch morsches Gitterwerk und Sehnsucht nach dem Unbekannten ...?, schreibt Thomas B?hme.

Bernd Heimberger
11.04.2007

 
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Das Buch:

Thomas Böhme: Widerstehendes

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Leipzig: Edition ERATA 2007
92 S., € 17,95
ISBN: 978-3-86660-022-5

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