Erzählbände & Kurzprosa
Unglaublich , aber wahr?
Als Jens Hostrup den Nachlass seiner Mutter sichtete, fand er zahlreiche Manuskripte, die sich nach seiner Aussage als Texte des Barons Hieronymus von Münchhausen erwiesen, der von 1720 bis 1797 lebte. Nach mühsamem Ordnen des Fundes erscheinen diese Geschichten zum ersten Mal in deutscher Sprache. Diese 21 neuen Geschichten machen neugierig, denn die bekannten Erzählungen des berühmten Lügenbarons sind mit ihrer Originalität ein amüsanter Lesestoff.
Die Erwartungen werden nicht enttäuscht, denn zugleich wird der Leser in der ersten Geschichte von Münchhausen als Schlangenbeschwörer mit dem Wesen die Erzählungen vertraut gemacht. Es wechseln Berichte über Reisen wie nach Japan, Frankreich, Russland und Amazonien ab mit kuriosen Erlebnissen während der Jagd, rätselhaften Verwandlungen und Begegnungen mit Gott und dem Teufel.
Münchhausen schildert auch, wie er für Ludwig XV. eine Enzyklopädie mit 28 Bänden über das Wissen der Menschheit schreibt und dafür 26 Schreiber engagiert. Auch Voltaire hilft er, indem er für ihn die Arbeit an zwei Büchern aufnimmt und erfolgreich abschließt.
Immer wieder gelingt es Münchhausen dank seiner außergewöhnlichen Eigenschaften, in scheinbar auswegsloser Lage der Gefahr zu entrinnen (vergleiche S. 156 das Kuckucksduell). Münchhausen beschreibt sich als Menschen, der mit Tieren sprechen kann, besonders trinkfest und kälteunempfindlich ist und mit einem Gedächtnis ausgestattet ist, das nicht vergisst, was es einmal gesehen hat. Da möchte man manchmal einen Bruchteil der Eigenschaften gerne für sich beanspruchen, um sie nicht nur für sich, sondern auch für alle Mitmenschen zu nutzen.
Oft wird der Leser auch mit besonderen physikalischen und biologischen Phänomenen konfrontiert, wie in der Geschichte über die Magdeburger Halbkugeln oder den Hai.
Zu einigen religiösen und philosophischen Fragen äußert Münchhausen sich mehr beiläufig bei seinem Zusammentreffen mit Gott an der Himmelspforte und bei der Begegnung mit dem Teufel auf der Treppe in Auerbachs Keller.
Das vorliegende Buch endet mit Münchhausen und König Midas. Diese Erzählung bleibt allerdings unvollendet, ebenso wie die Geschichte "Ein merkwürdiges Land". Zu Letzterer weist der Autor darauf hin, dass er die restlichen Textblätter nicht auffinden konnte.
Erstaunlich sind die Bemerkungen von Münchhausen an Jens Hostrup, denn Münchhausen meint zu wissen, dass Hostrup sein Schreiber sein wird und das niederschreiben wird, was ihm Münchhausen eingibt. Es folgen dann Hinweise auf die fragwürdige Moral einigen Textstellen, dessen sich Münchhausen bewusst ist, denn manchmal ist die Wortwahl sehr deftig. Es ist im Sinne Münchhausens diese Stellen nicht auszusparen, denn sie gehören für ihn zum Leben dazu. Er erzählt wahrheitsgetreu seine Erlebnisse und passt seinen Stil diesen an.
So werden die Leser Zeuge von neuen Lügengeschichten, die mit Überraschungen aufwarten und bei aller Phantasie aus dem Leben gegriffen sind und schmunzeln lassen.
Dr. Helga Miesch
26.05.2014