Erzählbände & Kurzprosa

Liebe(n) in Indien

Die Graphic Novel "India Dreams" setzt im Jahr 1927 ein: Amelia Harryson reist mit ihrer kleinen Tochter nach Indien. Dort ist ihr Mann, ein englischer Offizier, stationiert. Zusammen mit ihrer Tochter Emily, lernt sie gemeinsam mit einem dort sesshaften Lehrer, Mister Lowther, das Land Indien kennen und erliegt seiner Faszination. Zudem verliebt sich ein Maharadscha in sie, was nach gewisser Zeit auf Gegenseitigkeit beruht. Allerdings hat diese Liaison politische und romantische Konsequenzen.

Im Jahr 1944 zittert ganz London vor den Bombenangriffen durch deutsche Truppen, als die inzwischen erwachsene Emily ein geheimnisvolles Paket aus Indien erhält. Als dann auch noch ein Freund aus den indischen Kindertagen, der Sohn des inzwischen verstorbenen Maharadschas, auftaucht und sie nur mühsam Attentaten entgehen können, reisen beide nach Indien, um dort die Spuren ihrer Eltern wiederzufinden. Sie wollen herausfinden, wer Emily das Paket geschickt hat und warum. Als Emily erfährt, dass ihre Eltern keinesfalls so gestorben sind, wie ihr berichtet wurde, muss sie wiederum um ihr Leben fürchten. Auch Emilys Tochter Kamala wird zwanzig Jahre später von der Familiengeschichte eingeholt und versucht mit ihrem Freund Jay diese zu entwirren. Aber auch sie muss sich vorsichtig verhalten, denn in Zeiten historischer Umbrüche versuchen Interessengruppen ihre Ziele mit skrupellosen Mitteln durchzusetzen.

In einem farbenprächtigen opulenten Abenteuer wird eine Familien- mit einer Landesgeschichte verwoben. Die Auswirkungen von Politik (Verfall jahrhundertealter Traditionen, Kolonialismus, Unabhängigkeit, Demokratie), Religion (Symboldeutungen, Aberglauben, Wettstreit zwischen Buddhisten und Hinduisten) und Gesellschaftsstruktur (Kastensystem, Rassismus während der Kolonialzeit) werden nachvollziehbar auf das System Familie angewandt und zeigen ein vielschichtiges Indienbild. "India Dreams" hat traumhaft schöne Bilder, die dem Leser 40 Jahre Indien nahe bringen, und schafft den Sprung vom Kolonialismus über die Unabhängigkeitsbestrebungen bis hin zur Hippiezeit ohne große Brüche.

Einziges Manko ist der 36 Seiten starke Epilog, der die komplexe Familiengeschichte erhellen soll und dabei sehr undramatisch und gerade im Vergleich zur Vorgeschichte enttäuschend ausfällt. Bedauerlicherweise sind die Tiergesichter nicht gerade eine zeichnerische Stärke, sie fallen unangenehm aus dem Rahmen, gerade weil die anderen Zeichnungen so beeindruckend sind. Eine komplexe Familiengeschichte dreier Frauengenerationen vor dem geschichtlichen Hintergrund Indiens, die zu fesseln weiß und deren Bilder den Atem rauben.

Jons Marek Schiemann
20.07.2009

 
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Das Buch:

Maryse Charles: India Dreams. Aus dem Französischen von Tanja Krämling. Mit Illustrationen von Jean-Francois Charles

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Bielefeld: Splitter Verlag 2009
212 S., € 24,80
ISBN: 978-3-940-86403-1

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