Briefliteratur & Tagebuch

Auf Reisen mit Alfred Brehm, dem "Tiervater aus Thüringen"

Als Sohn eines begeisterten Ornithologe wurde Alfred Brehm (1829-1884) schon in jungen Jahren mit der mannigfaltigen Welt der Vögel konfrontiert. Die beachtliche Sammlung von über 9000 ausgestopften Vögeln weckten Brehms Interesse an die Zoologie, das ihn zeitlebens nicht mehr loslassen sollte. Auch wenn Architekt Brehms eigentlicher Berufswunsch war, so sollte ihn sein Lebensweg woanders hinführen: zum anerkannten Tierforscher, der die Welt bereiste und in seinen Tagebüchern seine Erlebnisse festhielt. Nun, über 125 Jahre nach Brehms Tod, lässt Joachim Heimannsberg den Leser posthum daran teilhaben - mit "Brehms Reiseleben".

Alfred Brehms Karriere als Tierforscher beginnt als Wegbegleiter von Baron von Müller. Im Jahre 1847 brechen sie zu einer fünfjährigen Afrika-Expedition auf, in deren Verlauf sie exotische Landschaften bestaunen dürfen, fremde Völker kennenlernen und wilden Tieren begegnen. Insbesondere Brehms erste Reise soll das Leben des "Tiervaters" nachhaltig prägen. Brehm erlebt mit, mit welch harter Hand Sklaven "erzogen" werden, und dass das in Europa gängige "romantische Bild" über diesen Kontinent keineswegs der Realität entspricht. Vielmehr erschweren Temperaturen von über 40°C, Wasserknappheit und unwirtliche Gegenden das Fortschreiten der Expedition - ganz abgesehen von privaten Schicksalsschlägen wie der Tod des Bruders. Lohn für ihre Mühen sind die erlegten Tiere, die späterhin als Grundlage für das Nachschlagewerk "Brehms Tierleben" dienten.

Aber nicht nur Afrika besucht Brehm, seine Reisen führen ihn auch nach Spanien, Lappland, Sibirien und Nordamerika. Ähnlich wie in Afrika hält Brehm auch hier seine Eindrücke, Beobachtungen, Begegnungen und Erlebnisse fest. Die Tagebucheinträge zeugen von einem Menschen, in dem zwei Herzen schlagen: Mal gibt sich Brehm der Naturschönheit und -anmut hin, mal erliegt er seiner unbändigen Jagdleidenschaft. Dieser scheinbar unvereinbare Dualismus aus wissenschaftlicher Nüchternheit und emotionaler Impulsivität prägen Brehms Wesen, Leben und Werke. Insbesondere dieser unverkennbare Gegensatz macht den Reiz von "Brehms Reiseleben" aus - so sehr, dass man sich dem Buch nicht entziehen kann.

Joachim Heimannsberg nimmt in "Brehms Reiseleben" den Leser mit auf eine faszinierende (Welt-)Reise der Sinne. Während des Lesens wird man in exotische Gegenden entführt, begegnet zahlreichen wilden Tieren und trifft großzügige Herrscher. Heimannsberg Einschübe über damalige (politische) Verhältnisse erleichtern das Verständnis von Brehms Tagebucheinträgen. Es ist beinahe so, als erhielte man beim Lesen einen Rundumblick über die Zeit, Gesellschaft und das Leben von vor über 100 Jahren. Trotz des Anspruches eines Sachbuches ist dem Buch ein Unterhaltungsaspekt nicht abzustreiten, denn die 288 Seiten sind gespickt mit Anekdoten, aufregenden Abenteuern, traurigen Momenten und erfreulichen Begebenheiten - ganz wie bei einem kurzweiligen Roman, der seine Leser zu fesseln weiß. Mehr kann man von einem guten Sachbuch kaum erwarten.

Susann Fleischer
08.03.2010

 
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Das Buch:

Joachim Heimannsberg: Brehms Reiseleben - Zwischen Eismeer und Äquator. Mit dem großen Tierforscher unterwegs

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Mannheim: Meyers Lexikonverlag 2009
288 S., € 16,95
ISBN: 978-3-411-08390-9

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