Ratgeber

Wer ist unser Kind?

Seit geraumer Zeit r?ckt die Erziehungsdiskussion zunehmend ins Blickfeld der Gesellschaft. Schockerlebnisse wie der Erfurter Amoklauf, Bildungskrise nach Pisa, Ritalindiskussion f?hren dazu, dass Kinder mehr werden als eine enorme Zielgruppe der Wirtschaft, als eine Herde kleiner Erwachsener, die es zum Konsum zu verf?hren gilt oder die man versucht zu sozialisieren, weil alte Erziehungsmodelle wie Familien nicht mehr das Normale sind.

Mittlerweile sind wir es gewohnt, Schubladen zu ?ffnen und Kinder dort hineinzustecken, es gibt die Zappelphilippe, die medizinisch betreut werden m?ssen, die Hochbegabten, die an Eliteschulen vorangez?chtet werden, die breite Masse Mittelma?, f?r die es Ausbildungspl?tze zu suchen gilt. Aber sehen wir wirklich die Kinder hinter all diesen ?Zielgruppen??

Was macht ein Kind so stark, dass es als Erwachsener den Anforderungen unserer Gesellschaft standh?lt? Wie f?rdert, wie erzieht man Kinder, um aus ihnen gl?ckliche Erwachsene zu machen? Entgegen aller Vorurteile geben immer noch viele Eltern an, dass sie ihren Kindern w?nschen, zufriedene und gl?ckliche Erwachsene zu werden. Was wird daf?r getan? M?glichst viel F?rderung, m?glichst gro?e Individualisierung vom Kleinkindalter an, rechtzeitige Spezialisierung und dann Training in den Nischen, um so bessere Chancen zu bekommen? Wenn in Kinderg?rten schon Bildschirme stehen und Dreij?hrige an den Umgang mit der Maus gew?hnt werden, muss man fragen: Ist das kindgem??? Was ist aber kindgem??? Darf ein Kind heute in den Wohnsilos und Horten dazu angehalten werden, sich entwicklungsgem?? zu bewegen, sprich: darf ein Kind toben, schreien, lachen, kreischen, Ball spielen, radeln, in Fl?ssen schwimmen? Wer l?sst denn noch Drachen steigen, ganz normale Drachen, die aus Papier und H?lzchen selbst gebastelt wurden? Braucht dieses Land solche Kinder, die ordentlich ausgebildete Muskeln haben, die stundenlang im Matsch haben spielen d?rfen, die ihre eigene Kreativit?t entwickeln durften, ohne Lernprogramme, ohne Zielorientierung, einfach so, weil man das als Kind darf und nur dann? Viele Erwachsene m?ssen heute in aufw?ndigen und nicht billigen Therapien aufgrund vollkommen falscher K?rperbilder mit ?Matsch? in Form von Ton und anderen Materialien arbeiten, um zu begreifen, dass sie selbst Gestalter, Former ihres Lebens sind! Diese Kosten, die das Gesundheitssystem auch belasten, k?nnte sich mancher sparen, wenn er als Kind h?tte spielen d?rfen.

Georg Drei?ig hat sich des Themas ?fruchtbare Erziehung? angenommen und er n?hert sich ihm von vielen Seiten. In Kapiteln wie ?Unser Kind ? das unsichtbare Wesen?, ?Erz?hl mir, wer ich bin?, ?Wovon die M?rchen erz?hlen?, ?Bildersinn in Gefahr?, ?Wie k?nnen wir mit Kindern vom Tod sprechen??, ?Kind und Engel? sowie ?Jahreskreis und Festeskreis? geht Drei?ig intensiv darauf ein, was wir als Begleiter unserer Kinder dazutun k?nnen, um aus ihnen starke, selbstsichere Erwachsene zu machen.

M?rchen und Bilder als Seelennahrung, Feste, die Halt geben, das Erleben des Jahres als etwas, das Sicherheit, Rhythmus und Wiedersehensfreude schafft ? das erfordert vom Erwachsenen ein bisschen mehr als reines Aufzuchtinteresse, um mit m?glichst geringem Aufwand ein m?glichst gesellschaftskompatibles Ergebnis zu erzeugen. Drei?ig macht wach, aufmerksam auf das, was zwischen Gro? und Klein geschieht in diesen so wesentlichen Jahren der Erziehung. M?rchen und Feste als Schl?ssel, die die Seelenschatzkammer aufschlie?en, nennt Drei?ig es, aber dar?ber hinaus sind diese Schl?ssel auch Werkzeuge, um aus sich heraus die Welt zu gestalten. Drei?ig gibt eine F?lle an nachdenkenswerten Anregungen. Und er macht den Griff, der l?ngst f?llig ist: Entscheidend ist nicht das, was sie Wirtschaft, was die Gesellschaft an k?nftigen Erwachsenen braucht, sondern die Frage nach dem, was Kinder wirklich brauchen. Das ist weniger der Bildschirm, vor dem die Kleinen als k?nftige R?ckengesch?digte und Sehschwache mit Sehnenscheidenentz?ndung hocken, vielmehr ist es der innere Reichtum, der Kindern geschenkt werden kann durch Bilder, durch gemeinsames Tun und Feiern, durch gestaltete Zeit voll Achtsamkeit, Respekt und Liebe.

-csc
04.09.2003

 
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Das Buch:

Georg Dreißig: Was Kinder innerlich stark macht. Märchen als Anregung, sich selbst zu entdecken

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Stuttgart: Verlag Urachhaus 2002
180 S., € 14,50
ISBN: 3-8251-7143-4

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