Autobiographie

Mehr als nur Tomatensaft ...

Es gab eine Zeit - und das ist gar nicht mal lange her - da war der Beruf des Flugbegleiters weit entfernt von dem, was heute manchmal boshaft-ironisch als "Saftschubse" bezeichnet wird. Als Fliegen noch nicht alltäglich war und die Fluggäste Millionen von Bonusmeilen sammeln konnten, war es etwas Exklusives und Seltenes, seine Zeit in einem Flugzeug zu verbringen. Nur die High Society konnte es sich zu jener Zeit leisten, von einem Kontinent zum nächsten zu "jetten" und beispielsweise noch heute in Europa und morgen schon in Amerika zu sein. Weit vor der Ära der Billigflieger und auch noch vor der Zeit der fliegenden Geschäftsreisenden war eine Reise mit dem Flugzeug immer noch etwas Gewagtes und Exotisches, ja sogar ein Abenteuer - hieß es doch, sich auf eine relativ junge und unerfahrene Technik einzulassen. Dabei gab es nur einen Weg dieses zu tun, ohne Zehntausende an Dollars zu investieren - und zwar, diesen Weg beruflich einzuschlagen.

Es ist das Jahr 1955 und Horst Frahm, gerade aus dem Ost-Sektor nach Hamburg gegangen, um für die britische Armee zu arbeiten, erhält das Angebot, eine Stelle als Flugbegleiter bei der weltgrößten Fluggesellschaft, der Pan Am, anzutreten - eine Position, die bisher eigentlich nur Frauen vorbehalten war. Diese einmalige Chance lässt er nicht ungenutzt verstreichen und so beginnt seine Geschichte voller Anekdoten und spannender Erlebnisse, die ihn für 33 Jahre bei der Pan Am bleiben lässt, wo er Geschichte als erster männlicher Flugbegleiter macht. Von der Ausbildung über seine ersten Jahre als Flugbegleiter bis hin zu seiner Arbeit als Purser, also Kabinenchef, erinnert sich Horst Frahm, der sich später in Amerika "Harry" nennt, zurück an eine abenteuerliche und großartige Zeit. Zunächst nur unter Frauen, kommt es zu jeder Menge witziger und haarsträubender Situationen in den Anfangsjahren des Fliegens ...

Man sagt ja immer, die besten Geschichten schreibe das Leben selbst, aber es ist doch immer wieder faszinierend, wie sehr dieser Satz der Wahrheit entspricht: Ob Fluggäste aus der High Society, exotische Länder und Plätze, die nicht einmal heutzutage gängige Ziele sind, oder einfach Anekdoten aus dem Miteinander im Kabinenalltag - Harry Frahm versteht es, wie bei einem lockeren Pläuschchen mit einem alten Freund die alten Tage wieder aufleben zu lassen und eine Faszination für einen Beruf wiederzubeleben, der heutzutage nur allzu oft zu Unrecht auf Tomatensaft und nörgelige Gäste reduziert wird.

Dabei geht es nicht nur um den Berufsalltag im Flugzeug selbst, nein - wie heute gab es auch damals schon die sogenannten "Layovers", also die Zeit, die die Flugbesatzung bis zum nächsten Start überbrücken muss, was meist mehrere Tage dauert. Und was könnte man sich Besseres vorstellen, als die Zeit zu nutzen, um sich möglichst eingehend mit der örtlichen Kultur und den Gegebenheiten vertraut zu machen? Dass dies Raum für einige Missverständnisse und Abenteuer, aber auch durchweg spannende Erlebnisse bietet, versteht sich von selbst.

"Above and below the clouds" ist eine Autobiographie der ganz anderen Art: Harry Frahm drängt sich bei seinen Schilderungen und Betrachtungen nie selbst in den Mittelpunkt, sondern lässt den Leser dank seines wunderbaren Gespürs für Menschen, Geschichten und Anekdoten eintauchen in eine Zeit, in der das heute Alltägliche noch ein Abenteuer war. Ferne Länder und exotische Schauplätze wie Afrika oder Indien auf der einen Seite, Zwischenmenschliches und kleine Geschichten des Alltags auf der anderen Seite runden das Buch zu einem wundervollen Rückblick ab, der mal ganz andere Einblicke auf die Geschichte der Fliegerei bietet.

Gerrit Koehler
17.06.2013

 
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Das Buch:

Harry W. Frahm: Above and below the clouds. Observations

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2013
230 S., € 17,80
ISBN: 978-3-8372-1242-6

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