Autobiographie

Puppenspiel - so tun als ob

Persönlich Erlebtes, gut und ehrlich zu Buch gebracht. Wer das mag, nimmt sehr gerne Günter Baums hochformatiges Werk zur Hand: "Als ich noch ein Sultan war". Dieses erscheint als Book on Demand und trägt auch die unverfälschten Züge einer solchen Ausgabe. Selber angelegte Bücher verbreiten eine eigene Art von Charme, dem man sich nur ungern entzieht.

Von Günter Baum ist schon einiges erschienen. Und wie die Vorgänger ist auch dieses Buch reich illustriert. Man sieht den Autor in seiner vertrauten Umgebung wie immer gut aufgestellt und mitteilsam. Diesmal geht es um seine Zeit bei der Puppenbühne Marianne Hauptmann. Das war damals, in Görlitz. Im östlichsten Teil des deutschen Ostens also, an der Lausitzer Neiße, wo Deutschland an Polen grenzt. Welch ein Wunder, dass diese Stadt im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde, so dass man ihre Zeugen der langen Entwicklung noch gut erkennen kann.

Heile Welt? Heile Welt! Jedes Puppentheater lebt davon. "Als ich noch ein Sultan war" blendet in diese Wunderwelt hinein und erzählt sie als nachvollziehbares Erlebnis. Marianne Hauptmann, mit der Günter Baum auf Tournee gegangen war, ist vor Jahren verstorben. Ihr widmet der Autor sein spontan geschriebenes Buch. Der Erzähler hat nichts verfälscht, so wie er auch Bilder einfügt, die nicht mit vielen Tricks zurechtgerückt wurden. Alles liegt so vor den Lesern, wie es Günter Baum erfahren hatte. Das macht einen schönen Teil des Reizes aus, der von diesem liebevollen Theaterbeschrieb ausgeht.

Die winzige Truppe überzeugte im Theaterbetrieb, weil sie eingestimmt und auch stark engagiert war. Die Spieler gingen auf in ihrem Spiel und nahmen die Zuschauer mit auf die Reise. Ähnlich wird es den Lesern gehen, wenn sie eine entsprechende Bereitschaft mitbringen.

Heile Welt, sehr wohl. Aber keine Luxuskulissen. Man spürt die Schlichtheit und die Bodennähe des Spiels und der ganzen Umgebung. Mit wenigen knappen Gesten die Kinder und Erwachsenen lachen und sich wundern lassen - das war die große Kunst dieser kleinen Bühne. Wein aus Zahnputzgläsern, so berichtet Günter Baum über einen Weihnachtsabend. Damit bekommt das Buch eine unanfechtbare Echtheit, die auch dadurch bezeugt wird, dass mitunter die Zeitgeschichte die Szenerie betritt. Wilhelm Pieck platzt unverhofft ins Theater hinein. Pieck, Sohn eines Kutschers, 1949 bis zu seinem Tod 1960 Präsident der DDR, hatte es zur einfachen Bühne gezogen. Leider hinderte die Agenda diesen Mann daran, das Puppenspiel mitzuerleben.

Die Sprache ist - erwartungsgemäß, niemand hätte anderes gewünscht – einfach. Sie entspricht der Munterkeit, die man im Autor vermutet, wenn man seine Porträts sieht. Die Spieler sprechen verschiedene Rollen, das ist indessen kein einfaches Handwerk, sondern schon eher Kunst. Zettel übernehmen die Funktion der Souffleuse, wenn der Spieler Hilfe braucht. So tun als ob - und trotzdem authentisch bleiben. Das erfährt man, wenn man des Sultans Einladung folgt.

Ronald Roggen 
26.11.2012 

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Günter Baum: Als ich noch ein Sultan war

CMS_IMGTITLE[1]

Norderstedt: Books on Demand 2012 52 S., € 7,50 ISBN: 978-3-8448-8896-6

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.