Autobiographie

Spannende und vielschichtige Rückschau

Helmuth Dallmer nimmt seinen achtzigsten Geburtstag zum Anlass, um auf sein Leben zurückzublicken. Und was für eine prall gefüllte und ereignisreiche Vita das war und ist! Angefangen von der Kindheit in der Weimarer Republik über den Zweiten Weltkrieg, der fast den Tod des Autors bedeutet hätte, bis zum Auf- und ständigen Ausbau eines Unternehmens mit so unterschiedlichen Geschäftsfeldern wie Sanitärprodukten und Hufschuhen.

Vor allem der erste Teil des Buches ist geeignet, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Helmuth Dallmer zeigt nämlich anschaulich, wie die Indoktrination der Jugend im Vorkriegsdeutschland funktioniert hat. Nur ein Element von vielen war in diesem Zusammenhang die Schule, in der Humanismus keine Rolle spielte. Hier ist auch die selbstkritische Haltung des zurückblickenden Autors kaum zu überlesen. Gerade an dieser Stelle wird eine besondere Qualität des Buches - nämlich die Historie durch eine individuelle Lebensgeschichte begreifbar zu machen - deutlich.

Die Schilderung der Kriegszeit bildet den Spannungshöhepunkt des Buches. Der Leser fiebert regelrecht mit dem jungen Protagonisten mit, als der zu Kriegsende vor den unablässig näher rückenden Truppen des Feindes flieht oder später von einem Erschießungskommando in den Wald geführt wird. Die Pein der Kriegsgefangenschaft wird für den Leser fast direkt erlebbar, als der Autor einen Teil seines damals auf leeren Mehltüten geschriebenen Tagebuchs in die Beschreibung einfügt und so eine interessante Form der Unmittelbarkeit erzeugt.

Helmuth Dallmer schildert sein Leben in einem überraschend modern wirkenden Stil, der angenehm zu lesen ist. Immer wieder berichtet er auch von humorigen Szenen, die den Leser unweigerlich schmunzeln lassen. Etwa wenn er beschreibt, wie er als junger Mann bei den Eltern seiner Freundin, die er erst ein paar Mal getroffen hatte, eingeladen ist, zufällig mit anhört, wie bereits Heiratspläne geschmiedet werden und als Reaktion darauf hastig durch den Hinterausgang Fersengeld gibt.

Kleinere Längen entstehen allerdings, wenn der Autor an einigen Stellen etwas sehr ausführlich auf die Angebotspalette seines Unternehmens und Weiterentwicklungen von Produkten eingeht. Doch hier spürt man gleichzeitig auch, die immer noch brennende Leidenschaft für das Geschäft und den stetigen Wunsch Dinge zu optimieren, sodass diese Passagen gleichzeitig den Verfasser charakterisieren und für Authentizität sorgen.

Helmuth Dallmer gelingt mit seinem Buch "Gezeiten meines Lebens" eine packende und abwechslungsreiche Lebensrückschau, durch die für seine Leser Geschichte lebendig wird.

Ingo Gatzer 
25.07.2011

 
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Das Buch:

Helmuth Dallmer: Gezeiten meines Lebens. Jahrgang 1923

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2011
244 S., € 18,80
ISBN: 978-3-8372-0810-8

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