Autobiographie

Fluchtgeschichte und Volksbegehren

April 1946: Der Krieg ist vorbei, doch das schreckliche, traumatisierende Leben in Gefangenschaft geht für Wolfgang Müller weiter. Keine Spur von Frieden. Einzig der Gedanke "zurück zur Familie" hält den 19-Jährigen aufrecht und spornt ihn an, es mit Flucht zu versuchen - der Beginn einer wahren Odyssee. Er flieht mit mehreren Mitgefangenen in einem Waggon, wird aber von informierten Franzosen abgefangen, kommt in menschenunwürdige Zweierhaft in einem Bunker für eine Person. Aber auch das kann ihn nicht davon abhalten, es erneut zu versuchen - diesmal mit nur einem Mithäftling und doch ohne Erfolg: Die Flucht endet in einem Lager. Und so vergehen noch mehrere Versuche, bis schließlich einer gelingt; unterhalb eines Zuges in Richtung Ostfrankreich und mit dem Ziel nach Deutschland. Eine gefährliche Rheinüberquerung folgt und immer wieder fährt die Angst mit, gefasst zu werden. Doch der letzte Fluchtversuch bringt ihn in die Heimat und zurück zu seiner Familie - und erspart ihm 17 Monate der Gefangenschaft.

Jahre später: Wolfgang Müller hat seine Flucht als Abenteuer niedergeschrieben, doch sie hat ihn nachhaltig geprägt. Er macht sich Gedanken über ganz bestimmte Gesetzgebungen und Volksbegehren. So sieht er die Herstellung von sozialer Gerechtigkeit als Anmaßung einer gottähnlichen Eigenschaft an, wenn nicht klar definiert wurde, was unter diesem "Leitbild" zu verstehen ist. Dann ist politischer Stimmenfang die Motivation für die Einfältigen und Gutgläubigen. Ebenso macht er sich Gedanken über das Tarifvertragsgesetz, die Mitbestimmung und nicht zuletzt über das Wahlrecht.

Sehr interessant sind auch Müllers Ausführungen zum Umweltschutz, in denen er mit einer ganz logischen Schlussfolgerung und einer klaren Meinung offenlegt, wie sich die bekannte grüne Partei das Mäntelchen des ökologischen Erfinders des Umweltschutzes übergeworfen hat, obwohl die Industrie - und auch die Allgemeinheit - schon längst ein Gespür für die Umwelt bekommen hatte - und das weit vor Gründung dieser Partei. Geschickt auf den Zug aufgesprungen, glaubt Müller zu Recht.

Es folgen Ausführungen zu den Gesellschaftsformen, der Religion und dem Strafrecht, welches so beeindruckend niedergeschrieben ist, dass man beim Lesen ständig zustimmend mit dem Kopf nicken muss, weil man sich bestätigt fühlt und ähnlich wie der Autor denkt. Und dabei geht um heikle Themen wie die Todesstrafe und Debatten für oder wider sie.

Mit "Rückblick und Vorschau" hat Wolfgang Müller ein kluges, kleines Buch verfasst, welches mit Gedankengängen jongliert, ohne sie dem Leser aufzuzwingen. Wenige Augenblicke der Lektüre reichen, um über die Zeilen nachzudenken und sich dabei zu ertappen, dass Eck- und Knackpunkte mit der Sicht des Autors Sinn ergeben. Wir verstecken uns zu gern hinter den Gesetzen und ihrer Interpretation.

Auf 88 Seiten erlebt man eine (Abenteuer-)Reise durch "stürmische" Zeiten und gesellschaftskritische Themen und gleichzeitig hält das vorliegende Buch einen Schubs parat, mal über den Tellerrand hinaus zu blicken. "Rückblick und Vorschau" verspricht kurzweilige, zugleich spannende und interessante Unterhaltung, die zum Nachdenken anregt.

Tanja Küsters 
02.08.2010

 
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Das Buch:

Wolfgang Müller: Rückblick und Vorschau

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Frankfurt am Main: Weimarer Schiller-Presse 2009
88 S., € 12,40
ISBN: 978-3-8372-0615-9

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