Autobiographie

Aus den Erinnerungen einer Jüdin

Im Jahre 1983 erschien erstmals "Ich trug den gelben Stern", in dem Inge Deutschkron aus ihrem Leben als Jüdin im nationalsozialistischen Deutschland erzählt. Zwölf Jahre später folgte mit "Mein Leben nach dem Überleben" die Fortsetzung, in der Deutschkron vom schwierigen Neuanfang nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches berichtet. Jedes dieser Bücher ist bereits für sich genommen ein erschütternder Bericht aus einer grausamen Zeit, die bis in das 21. Jahrhundert als Sinnbild des Bösen steht. Zusammen ergibt sich mit "Ich trug den gelben Stern, und was kam danach?" Deutschkrons Gesamtbiographie, die den Leser aufwühlt und zugleich nachdenklich macht.

Als Elfjährige musste Inge Deutschkron miterleben, wie Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bedeutete für die jüdische Bevölkerung eine unsichere Zeit, die mit der langsamen Verdrängung aus dem öffentlichen Gesellschaftsleben begann und schließlich mit der Massenvernichtung der Juden in Konzentrationslagern endete. Auch die Familie Deutschkron erkannte bald die Systematik innerhalb des nationalsozialistischen Apparates. Der Vater wurde aus seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer entlassen und hatte stets die Deportation zu befürchten. Zwar gelang ihm 1939 die Flucht nach Großbritannien, Frau und Tochter musste er jedoch im Dritten Reich zurücklassen. Sie wollten später nachkommen, wozu es allerdings nicht mehr kommen sollte - der Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Einmarsch in Polen im September 1939 verhinderte diesen Plan. An Flucht war in dieser Zeit ebenso wenig zu denken wie an ein normales, ungestörtes Leben. Für die Deutschkrons begann eine Zeit des Untertauchens. Unter einer fremden Identität und stets auf der Hut versuchten sie den zahlreichen Deportationen zu entgehen, bis schließlich am 8. Mai 1945 der große Moment kam: Deutschland hatte den Zweiten Weltkrieg verloren und die Juden mussten nicht mehr um ihr Leben fürchten. Von nun an sollte doch ein normales Leben wieder möglich sein - aber so einfach ist ein Neuanfang dann doch nicht.

Deutschkron kehrte, gemeinsam mit ihrer Mutter, 1946 Deutschland den Rücken und ging zu ihrem Vater nach Großbritannien, um dort ihr großes Glück zu suchen. In London studierte sie Fremdsprachen und arbeitete anschließend als Sekretärin bei der "Sozialistischen Internationalen". Ihre erste Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1955 fand im Rahmen ihrer Tätigkeit als freie Journalistin statt. So erlebte sie beispielsweise als Korrespondentin der israelischen Tageszeitung "Maariw" 1963 den Frankfurter "Auschwitz-Prozess" mit. Als allerdings im Laufe der Jahre die antisemitischen Neigungen innerhalb der deutschen Politik wieder zunahmen, übersiedelte Deutschkron nach Tel Aviv, wo sie ihre Heimat gefunden zu haben schien. Ihre Vergangenheit ließ Deutschkron allerdings niemals los, sodass sie 1983 "Ich trug den gelben Stern" veröffentlichte. Fünf Jahre wurde mit dem Theaterstück "Ab heute heißt Du Sara" eine Bühnenadaption von Deutschkrons Autobiographie aufgeführt, die bis heute immer wieder erfolgreich in Deutschlands Theatern inszeniert wird.

Inge Deutschkron durchlebt in "Ich trug den gelben Stern, und was kam danach?" ihre eigene Vergangenheit und teilt diese dem Rezipienten auf eindringliche Weise mit. Erst mit den Worten eines kleinen Mädchens, das sich seiner ungewissen Zukunft durchaus bewusst ist, später mit denen einer erwachsenen jungen Frau, die ihrer Umwelt einen Spiegel der eigenen dunklen Vergangenheit vorhält. Dabei erscheint Deutschkron als Stimme des deutschen Gewissens, das sich seiner Schuld durchaus bewusst ist, aber die gegebenen Tatsachen am liebsten verdrängen würde. Zugleich wirkt Deutschkron auch auf die nachfolgenden Generationen erschütternd und aufklärend, die jene Zeit selbst nicht erlebten und lediglich aus den Erzählungen der Großeltern kennen - so atmosphärisch dicht berichtet die Autorin aus ihrem Leben. Zweifellos ist "Ich trug den gelben Stern, und was kam danach?" ein Denkmal gegen Verfolgung und Antisemitismus, das noch vielen Menschen im Gedächtnis bleiben wird.

Susann Fleischer
26.10.2009

 
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Das Buch:

Inge Deutschkron: Ich trug den gelben Stern, und was kam danach?

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München: dtv 2009
512 S., € 17,90
ISBN: 978-3-423-34563-7

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