Medien & Gesellschaft

Mit dabei am Verhandlungstisch

Bei den Transfers der begabtesten Fußballerbeine auf dem Globus werden mittlerweile hohe zweistellige Millionenbeträge von A nach B transferiert. Wochenlange Ränkespiele, bewusst lancierte Falschmeldungen, Treuebekenntnisse mit minimaler Halbwertszeit begleiten diese Wechselabsichten und mittendrin befinden sich die Drahtzieher, die für die breite Öffentlichkeit kaum sichtbar sind, doch dort stets argwöhnisch vermutet werden. Spielerberater nennt sich diese Berufsgruppe, die im öffentlichen Ansehen irgendwo zwischen klinkenputzenden Staubsaugervertretern und Immobilienmaklern rangiert. Doch damit wird deren Macht im internationalen Fußballbusiness und auch deren Bedeutung für die oftmals in Verhandlungsfragen unbeholfenen Kicker deutlich unterschätzt und verkannt.

Kai Psotta, Sport-Journalist der "BILD"-Zeitung, hat sich intensiv mit dem Berufsbild des Spielerberaters beschäftigt und liefert mit dem vorliegenden Buch Einblicke, die selbst für den Fußballfan, der glaubt, über die Vorgänge hinter verschlossenen Türen Bescheid zu wissen, augenöffnend sein werden. Der Titel des Buches, "Die Paten der Liga", verleiht der Branche sogleich einen Hauch des Mächtigen, aber auch des Unseriösen, beinahe schon Mafiösen. Doch zeigt sich schnell, dass Spielerberater auch nur Menschen und eine Spezies sind, in der sich sowohl gute als auch schlechte Exemplare tummeln. Der Autor hat in seinen umfänglichen Recherchen viele Beispiele ausgegraben, an denen sich Sinn und Unsinn hinsichtlich der Existenz von Spielerberatern festmachen lässt.

Das vorliegende Buch lebt natürlich von seiner Aktualität und berücksichtigt alle bedeutenden Spielertransfers bis zum Ende der letzten Transferperiode im Post-WM-Sommer 2014. Psotta erklärt mit dem Kroos-Transfer den letzten aus deutscher Sicht bedeutenden Spielerwechsel. Zur Causa Reus und seiner sagenumworbenen, angeblichen von Karl-Heinz Rummenigge ausgeplauderten Ausstiegsklausel liefert er die Hintergründe. Doch der Autor beschränkt sich keineswegs auf die Bundesliga, sondern weiß auch über internationale Transfers und deren Abläufe Interessantes zu berichten. An Cristiano Ronaldos Rekordtransfer von Manchester nach Madrid macht er deutlich, dass manche Wechsel eine jahrelange Vorgeschichte haben. Durchaus lässt sich ein Muster dahingehend erkennen, dass die Verhandlungen um Fußballer umso hitziger und emotionaler geführt werden, je südlicher sich der Ort des Geschehens befindet.

Da Spielerberater primär bei den Vereinswechseln ihrer Klienten große Kasse machen, und vor allem dann, wenn sich die Transfers im hochpreisigen Segment abspielen, ist Zlatan Ibrahimovic im Grunde genommen der Jackpot schlechthin für einen Spielerberater. In den Schoß gefallen ist dieser Klient dem Sohn eines italienischen Pizzabäckers im niederländischen Haarlem. Mino Raiola wird in seiner Branche als der abgewichsteste Hund unter der Sonne bezeichnet und sein Ruf ist mindestens so zweifelhaft wie der seines Zöglings, der schwedischen Primadonna, die bei nahezu allen Spitzenvereinen in Schweden, Holland, Italien, Spanien und Frankreich gegen den Ball getreten hat. Dieses Spieler-Berater-Verhältnis unterstreicht vehement die These von Dr. Michael Becker, dem Berater Michael Ballacks, nach dessen Worten jeder Spieler genau den Berater bekomme, den er verdiene.

Kai Psotta hat sein ausgiebiges Interview mit Dr. Becker seinem Buch als krönenden Abschluss hinzugefügt. Darin gibt Becker eine treffende Typisierung der Spielerberater zum Besten, plaudert auch ein wenig aus dem Nähkästchen, indem er Hintergründiges zu diversen Ballack-Transfers preisgibt, wie beispielsweise, dass sein Verhältnis und das von Deutschlands Ex-Fußballer des Jahres zum FC Bayern doch viel besser sei, als es medial dargestellt wurde. Dagegen stellt er Borussia Dortmund und seinen Vereinsbossen ein Armutszeugnis aus, da dort scheinbar bewusst und auch gerne mit limitierten Beratern Transfers getätigt werden. Dabei ist letztlich nur ein ausgewogenes Geschäftsverhältnis zwischen Vereinen, Spielern und Beratern für alle Beteiligten gewinnbringend. Wechselpossen mit unwilligen Spielern entstehen schließlich meist dann, wenn sich eine Seite übers Ohr gehauen fühlt.

Auch wenn einige der in "Die Paten der Liga" dargestellten Episoden anonym geschildert werden mussten, um die Quellen des Autors zu schützen, findet der Fußball-interessierte Leser im vorliegenden Buch viele Informationen, die so manche bisherige Meinung von Spielern oder Vereinen korrigieren. Auch wird man zukünftig die eine oder andere Aussage zu einer Personalie viel stärker in Zweifel ziehen, da diese Kommunikationen meist mit den Beratern abgestimmt sind und oftmals nur dazu dienen, einen Spieler auf dem Transfermarkt besser zu positionieren. Beispiele dafür liefert Kai Psotta in Hülle und Fülle, überraschenderweise auch dafür, dass zumindest die guten Spielerberater in keiner Weise mit Immobilienmaklern oder Staubsaugervertretern in eine Schublade gesteckt werden sollten.

Christoph Mahnel
09.02.2015

 
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Das Buch:

Kai Psotta: Die Paten der Liga

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München: Piper Verlag GmbH 2015
304 S., € 19,99
ISBN: 978-3-492-05649-6

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