Medien & Gesellschaft

Eine wahre Geschichte

Marie ist das jüngste von fünf Kindern und ein erst wenige Monate alter Säugling, als sie von ihren Eltern getrennt wird. Mit zwei Jahren kommt sie bei einer Pflegefamilie unter. Doch was niemand damals ahnte: Die "Pflegeeltern verstanden es gut, nach außen hin jedem die heile Welt und die liebe Familie vorzuspielen, anderen vorzumachen, welch fürsorgliche Menschen sie doch waren, indem sie einem Heimkind ein neues Zuhause gaben. Dass sie in Wirklichkeit einem Mädchen einen niemals endenden Alptraum bescherten, das wussten die wenigsten, und diejenigen, die es bemerkten, schwiegen." Marie ist den psychischen und physischen Misshandlungen ihrer Familie ausgesetzt, die seelische Narben bei ihr hinterlassen.

Marie wird geschlagen, halb totgeprügelt. Man verweigert ihr das Essen und sie haust in einem dunklen, feuchten Kellerloch zusammen mit Ratten und anderem Ungeziefer. Es ist ein menschenunwürdiges Leben. Als Marie sich an ihre Nachbarin wendet, schweigt diese. Lehrer schauen weg, Ärzte behandeln Wunden ohne nachzufragen, selbst die zuständige Sozialarbeiterin verwehrt dem Mädchen jede Hilfe. Unter der Last des Unerträglichen zersplittert Maries Seele. Sie flüchtet sich in Tagträume, in bessere Realitäten. Sie gibt nicht auf und überlebt. Aber das Vertrauen in andere Menschen ist erschüttert - genauso wie der Glaube an sich selbst. Marie sieht sich selbst als "Rabenvieh", das es nicht besser verdient hat ...

Unterhaltung voller Gänsehautmomente - "Rabenvieh" von Marie Anhofer geht unter die Haut und raubt einem sogar den Atem. Aber nicht, weil diese "Autobiographie" so spannend ist, sondern ob der unglaublichen Geschichte, die hier in allen Einzelheiten geschildert wird. Ab der ersten Seite überfällt den Leser eine große Traurigkeit, die sich zu einer Ohnmacht auszuweiten droht. Die Beschreibungen der österreichischen Autorin berühren den Leser tief im Herzen und lassen ihn nicht mehr los. Selbst wenn das vorliegende Buch aus der Hand gelegt ist, ist man in Gedanken noch immer bei den grausamen Erlebnissen von Anhofers Kindheit und kann diese nicht mehr abschütteln. Beinahe so, als wäre man einst dabei gewesen.

Marie Anhofer erzählt ihre Lebens- und Leidensgeschichte mit so viel Gefühl, dass man bei der Lektüre von "Rabenvieh" des Öfteren mit den Tränen kämpfen muss. In dem Buch stecken Emotionen pur - und außerdem die Hoffnung, dass anderen ein ähnliches Schicksal erspart bleiben möge. Es stellt sich die Frage: Wie lange darf man die Augen vor der Realität verschließen?

Anja Rosenthal
19.01.2015

 
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Das Buch:

Marie Anhofer: Rabenvieh

Hamburg: tredition GmbH 2014
240 S., € 12,90
ISBN: 978-3-8495-7300-3

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