Medien & Gesellschaft

Mord und Totschlag im Mittelalter

Die Beurteilungen des Mittelalters sind aus heutiger Sicht zweigeteilt. Zum einen sehnt sich mancher, der in den Tretmühlen der immer schneller werdenden Zivilisationsprozesse gefangen ist, nach dem einfachen, bescheidenen und ausgeglichenen Leben, das man im Mittelalter führen konnte. Zum anderen wird das Mittelalter aber auch als die blutrünstigste Epoche der letzten Jahrtausende angesehen. Nicht von ungefähr wird es daher sehr oft mit den beiden Attributen "finster" und "dunkel" versehen. Dass der zweite Blickwinkel auf das Mittelalter wohl eher der Realität entsprach, untermauert das vorliegende Buch sehr glaubhaft.

"Tatort Mittelalter" nimmt berühmte Kriminalfälle aus dem Mittelalter unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse aus der Geschichtswissenschaft genauer unter die Lupe. Der Fokus liegt dabei auf Hoch- und Spätmittelalter, der Periode zwischen den Jahren 1000 und 1500. Genau in diese 500 Jahre fallen die insgesamt 16 europäischen Fälle, die Malte Heidemann und Franziska Schäfer dem Leser näherbringen. Die beiden Autoren beschränken sich nicht nur auf den deutschsprachigen Raum, sondern halten auch einige Fälle aus der englischen wie der französischen Geschichte bereit.

Das vorliegende Buch beginnt seine kriminalistische Zeitreise im Jahre 1062 mit König Heinrich IV., der als Elfjähriger während eines Fests in der Kaiserpfalz Kaiserswerth entführt wird. Über das 12. Jahrhundert, als im Süden Frankreichs die Katharer von der katholischen Kirche ausgerottet wurden, und das 13. Jahrhundert, in dem die zahlreichen Juden-Pogrome in Deutschland ihren Lauf nahmen, springt der Leser im 14. Jahrhundert über den Kanal nach England, um mitanzusehen, wie König Edward II. ob seiner homosexuellen Neigungen auf bestialische Art und Weise ermordet wird. Schließlich endet das Buch im 15. Jahrhundert, wo dem Leser mit Klaus Störtebeker und Jeanne d'Arc noch einmal zwei Berühmtheiten auf den letzten Metern ihrer Lebenswege begegnen.

Für "Tatort Mittelalter" zeichnen mit Dr. Malte Heidemann und Dr. Franziska Schäfer zwei promovierte Mittelalterforscher verantwortlich. Dies gibt einem als Leser das gute Gefühl, dass man zum einen keinen Band mit zusammenkopierten Texten in den Händen hält und zum anderen die Auswahl sicherlich wohl überlegt ist und einige der brisantesten Fälle aus den Abgründen des Mittelalters bekannt macht. Die beiden Autoren arbeiten auch über dieses Buch hinaus zusammen. Sie sind Inhaber eines Lektoratsbüros in Berlin, das auf seiner Website unter anderem auch explizit ein Coaching für potentielle Autoren von Mittelalter-Romanen anbietet.

Im Vorwort zu den 16 dargestellten Kriminalfällen verweisen die beiden Autoren darauf, dass entgegen der allgemeinen Erwartung das Mittelalter schon mit einer klaren Rechtsauffassung aufwarten konnte, diese jedoch oftmals nur mündlich überliefert war und vor allem regional stark differenzierte. Was das Mittelalter heutzutage als so grausam erscheinen lässt, ist der Tatbestand, dass die Strafe in der Regel eine körperliche Strafe war. Als Leser beobachtet man schließlich, dass in nahezu jedem der 16 Fälle die katholische Kirche mehr oder weniger ihre Finger im Spiel hat. Dies mag zum einen daran liegen, dass die Kirche als Institution im Mittelalter omnipräsent war, zum anderen aber auch daran, dass sich die Kirche wie im Falle von Katharern und Albigensern selbst zum Richter und Massenmörder erkoren hat.

Abgerundet wird dieses mehr als gelungene Büchlein durch die zahlreichen eingearbeiteten Quellen und die umfangreiche Literaturübersicht im Anhang. Der herausgebende Verlag Philipp von Zabern folgt mit diesem Werk seinem bereits im Vorjahr erfolgreich eingeschlagenen Weg, als nämlich "Tatort Antike" von Cornelius Hartz in ähnlicher Aufmachung einige spannende Kriminalfälle aus der Antike zum Besten gab.

Nach einigen Episoden aus dem düsteren Mittelalter wird man sich rasch glücklich schätzen, im Hier und Jetzt leben zu dürfen und mit einer maximalen Sicherheit ausgestattet zu sein. Denn wenn einen bereits bei den geschilderten Fällen hier und da ein starkes Unrechtsempfinden ereilen mochte, dann möge man bitte bedenken, dass dieses Fälle sind, die einer gewissen Öffentlichkeit bekannt waren, während das Mittelalter den Mantel des Schweigens über abertausende von nicht festgehaltenen Untaten gelegt hat.

Christoph Mahnel
30.09.2013

 
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Das Buch:

Malte Heidemann, Franziska Schäfer: Tatort Mittelalter. Berühmte Kriminalfälle

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Darmstadt/Mainz: Verlag Philipp von Zabern 2013
144 S., € 19,99
ISBN: 978-3-8053-4663-4

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