Medien & Gesellschaft

Ein halbes Jahrhundert deutsches Kulturgut

Die Feierlichkeiten und Bucherscheinungen rund um 50 Jahre Fußball-Bundesliga scheinen dieser Tage nicht abzureißen. Im Juli 1962 war der wegweisende Beschluss zur Einführung einer höchsten Spielklasse im deutschen Fußball getroffen worden, sodass mit der Saison 1963/64 die erste Spielzeit in dem Format ausgetragen werden konnte, das auch heute noch seine Gültigkeit besitzt und die Menschen hierzulande über 34 Wochenenden im Jahr in seinen Bann zieht. Dies ist natürlich Grund genug, das Erfolgsmodell "Fußball-Bundesliga" entsprechend zu ehren sowie seiner Protagonisten und Sternstunden zu erinnern.

Unter allen Büchern, die in den vergangenen Wochen und Monaten ihren Weg in die hiesigen Buchläden gefunden haben, sticht das vorliegende Werk Nils Havemanns heraus. "Samstags um halb 4" hat der Autor sein Werk genannt, was zunächst einmal nichts Ungewöhnliches ist, stellt schließlich der gemeine Fußball-Fan seine innere Uhr trotz mittlerweile mehrerer abweichender Termine immer noch auf diese Uhrzeit am Samstagnachmittag, um bereit zu sein für 90 Minuten Faszination und Spannung.

Das Besondere an Havemanns Buch ist der Versuch, die vergangenen 50 Spielzeiten der höchsten deutschen Fußball-Liga einer kultur- und zeitgeschichtlichen Betrachtung zu unterziehen. Der Historiker und promovierte Politikwissenschaftler Havemann, der vor einigen Jahren mit seiner Schrift "Fußball unterm Hakenkreuz" für Aufsehen und lebhafte Diskussionen sorgte, fokussiert sich in "Samstags um halb 4" nämlich auf die Einbettung der Bundesliga in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und weniger auf die Heroisierung verdienter Kicker oder die Schilderung dramatischer Spielzeiten.

Havemann eröffnet das vorliegende Buch in seiner Einleitung damit, die Entwicklung des Fußballs als bundesdeutsches Kulturgut zu beschreiben. Während im Jahre 1963 der Fußball respektive die Bundesliga Lichtjahre davon entfernt waren, als kulturelle Veranstaltung betrachtet zu werden, hat sich dies in den vergangenen 50 Jahren erheblich geändert. Der deutsche Fußball hat eine derart paradiesische Entwicklung genommen, dass es nicht nur monatlich erscheinende Magazine für Fußballkultur gibt und auch keineswegs mehr von einem Proletensport die Rede ist, sondern es für die geistige Elite vielmehr en vogue ist, sich in Stadien zu zeigen und sich mit dem Thema Fußball öffentlich zu umgeben.

Der Autor nimmt in seinem chronologisch orientierten Werk eine Einordnung der vergangenen 50 Jahre in verschiedene Epochen vor. Dabei folgt er unter anderem der mittlerweile gängigen Meinung, mit dem Beginn der neunziger Jahre den Übergang zur fußballerischen Moderne zu markieren. Schließlich erfuhr in dieser Zeit der Fußball einen derartigen Schub, der ihn weltweit sowie hierzulande - obgleich Deutschland damals geblendet vom letzten WM-Titel diesen Eingang in eine neue Epoche ein wenig verschlafen hatte - in den gegenwärtigen Zustand katapultierte. Havemann beleuchtet die verschiedenen Epochen durchweg unter ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Aspekten und versucht diese in Einklang damit zu bringen, wie sich der Fußball und seine Marke "Bundesliga" in der jeweiligen Zeit entwickelten.

Das vorliegende Buch ist mit 672 in Kleinschrift verfassten Seiten ein mächtiges Werk, für das Nils Havemann einen höchst wissenschaftlichen Ansatz gewählt hat. Im Sinne einer akademischen Arbeit hält er für sämtliche Aussagen, die nicht er selbst getroffen hat, und für geschilderte Begebenheit die entsprechenden Quellen parat. Dies führt dazu, dass der Anhang samt aller Fußnoten, Anmerkungen sowie der umfangreichen Bibliographie mehr als 130 Seiten und damit in etwa ein Fünftel des Buches einnimmt.

"Samstags um halb 4" ist ein äußerst ungewöhnliches Buch über Fußball, das aufgrund seiner Einzigartigkeit auf dem deutschen Markt und aufgrund seines umfassenden Inhalts wohl für lange Zeit als Standardwerk zur deutschen Fußballgeschichte herhalten wird. Havemann streift die einzelnen Themen nämlich nicht nur, sondern wartet mit allen diesbezüglichen Fakten auf, sodass sich Erlebnisse und Ereignisse aus 50 Jahren Fußball-Bundesliga historisch, gesellschaftlich und politisch einordnen lassen. Alleine Bedarf und Existenz eines solchen Buchs zeigen die Entwicklung, die der Fußball in den vergangenen Jahren genommen hat. Spannend bleibt es somit nicht nur samstagnachmittags auf dem Platz, sondern auch zu beobachten, welchen Weg die schönste Nebensache der Welt in den kommenden 50 Jahren nehmen wird.

Christoph Mahnel
01.07.2013

 
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Das Buch:

Nils Havemann: Samstags um halb 4. Die Geschichte der Fußballbundesliga

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München: Siedler Verlag 2013
672 S., € 26,99
ISBN: 978-3-8275-0006-9

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