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Peinliches Preußen

Der erste und einzige Pr?sident der DDR, Wilhelm Pieck (1876-1960), konnte sich nie damit abfinden, dass seine Geburtsstadt eine geteilte Stadt war. Im Ostteil Gubens geboren, war die Stadth?lfte zur polnischen Stadt Gubin geworden. Pech hatte Pieck auch mit dem Gr?ndungsort der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). In der Silvesternacht von 1918 zu 1919 aus der Taufe gehoben, stand die Wiege der Partei im Preu?ischen Landtag. Den haben die Bomben des Zweiten Weltkriegs nicht verschont und auch nicht die Nachkriegsgeschichte. In das Grenzgebiet von sowjetischem und amerikanischem Sektor Berlins geraten, wurde das Geb?ude gr??tenteils unnutzbar. Nicht nur das Geb?ude geriet in die M?hlsteine der Geschichte. Auch der preu?ische Landtag f?r den das Bauwerk errichtet wurde. 

"Der Preu?ische Landtag 1899-1947" ist sachlich, n?chtern, korrekt - der Titel eines Buches des Historikers Siegfried Heimann. Der Autor hat "Eine politische Geschichte" geschrieben. Das hei?t, konsequenterweise, auf die Baugeschichte des Geb?udes zu verzichten. Da werden Wissbegierige anderswo graben m?ssen. Dazu gern bereit zu sein, schafft der Verfasser die Voraussetzungen. Die knappe, siebenseitige Gr?ndungsgeschichte der kommunistischen Partei in den R?umen des Preu?ischen Landtags schildert der Autor in einer fachlich, sprachlich pers?nlichen Art, die alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Heimann f?gt nicht nur Fakten zusammen, reiht nicht nur Worte aneinander. Siegfried Heimann hat auch die Sprache, Gedanken klar zu formulieren. Das ist in der deutschsprachigen Sach- und Fachliteratur selten. 

Es ist ein andauernder Spa?, des Historikers Geschichte zur politischen Geschichte des Preu?ischen Landtags zu lesen. Wer noch nie neugierig war, etwas vom Niedergang Preu?ens und seines Landtags zu erfahren, der wird neugierig gemacht. Der Stoff rechtfertigt die Neugier. Preu?en ist, 65 Jahre nach der Aufl?sung dieses Staates, eine Legende mit einem reichlich ramponierten Renom?. Preu?en war schon eine ?bersch?tzte Legende, als die Alliierten, die Siegerm?chte des Zweiten Weltkriegs, meinten Preu?en per Gesetz von der Landkarte zu tilgen. 

Heimann erz?hlt, immer im Bezug zu dem Haus des Preu?ischen Landtags, wie langwierig die Grablegung Preu?ens war. Eine Beerdigunggeschichte, deren Beginn manche Historiker auf das Jahr der Reichsgr?ndung 1871 datierten. Der Preu?ische Landtag, 1899 bezogen, ist eine Politgeschichte des Tuns und Lassens des Landtags. Das war, in der Summe, gebildet und gepr?gt durch den unaufl?sbaren Gegensatz zwischen Preu?en und Reich. Der wurde nicht erst offenbar, als die Hohenzollern 1918 den deutschen Kaiserthron verlie?en. Preu?en zu vertreten bedeutete, eine zur Farce gewordene Legende zu vertreten. Heimann listet auf wie legitim, halb illegitim, illegitim die preu?ische Regierung nach 1918 agierte. Kein Zweifel, dass manches Zugreifen und Z?gern ein Akt politischer Kriminalit?t war. So wie die letzte Sitzung des Preu?ischen Staatsministeriums am 10. Mai 1938 - unter dem Diktat des Naziregimes. 

Die politische Geschichte des Preu?ischen Landtags kann als Beispielgeschichte deutscher Politik gelesen werden. Als ein Beispiel daf?r, welche Folgen Uneinigkeit in der politischen Verantwortung hat. Sie f?hrt zur Verantwortungslosigkeit und so zur Uneinigkeit in der Politik. Und die Folgen? Ach, die sind ja so bekannt. Sich das Bekannte mal zu merken, auch dazu kann so ein Buch wie das von Siegfried Heimann da sein. 

Bernd Heimberger 
12.12.2011

 
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Das Buch:

Siegfried Heimann: Der Preußische Landtag. Eine politische Geschichte

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Berlin: Ch. Links Verlag 2011
496 S., € 39,90
ISBN: 978-3-86153-648-2

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