Medien & Gesellschaft

Die Welt wie sie nie war?

Je weniger von der Welt bekannt war, desto intensiver malten sich die Menschen früherer Zeitalter aus, was sich jenseits der abgesteckten Grenzen ihres Lebensraumes befinden könnte. Dies belegen zumindest die alten Karten, Mythen und Legenden, die Judyth A. McLeod in ihrem "Atlas der legendären Länder" zusammengefasst hat. Dieser lädt den Leser auf eine Reise rund um die Welt ein - wie sie nie gewesen ist, in den Köpfen der Menschen aber über Jahrhunderte hinweg existierte.

Das eindrucksvollste Zeugnis für die Mischung aus Fantasie, Mathematik und Wissenschaft, mit der die frühen Gelehrten den Globus, auf dem sie lebten und den die meisten zunächst für eine Scheibe hielten, zu erklären versuchten, legen die Werke der Kartographen ab. Durch immer neue Berichte von Entdeckungen bzw. Gerüchte von Expeditionen in fremde Ozeane und Länder waren sie gezwungen ein zufriedenstellendes Bild von einer Welt zu zeichnen, die sich stetig wandelte. Dabei unterlagen sie nicht selten diversen Einschränkungen wie etwa dem Zwang unter christlichen Herrschaften des Mittelalters das Heilige Jerusalem in das Zentrum ihrer Darstellungen rücken zu müssen.

Der "Atlas der legendären Länder" vermittelt auf der Basis alter Überlieferungen, prächtiger Weltkarten und der Ergebnisse modernster wissenschaftlichen Forschungen ein stringentes und kohärentes Bild von den großen Mythen der Geschichte und den Orten, an denen diese in den unterschiedlichsten Kulturkreisen angesiedelt wurden. Die Suche nach dem Paradies auf Erden und dem Eingang zur Hölle ist dabei genauso faszinierend wie der Besuch mythischer Länder und Königreiche wie König Artus' Camelot oder mysteriöser Inseln in den gefährlichen Meeren dieser Welt. Auch das zur stehenden Redewendung gewordene El Dorado, dessen Goldschätze in Mittel- bzw. Südamerika vermutet wurden, übte eine große Anziehungskraft auf Abenteuerlustige aus. Untergegangene Kontinente wie Atlantis wurden zur Legende, neue Erdteile wie Australien nach und nach entmystifiziert.

Judyth A. McLeods "Atlas der legendären Länder" ist aufgrund seiner opulenten Ausstattung mit historischem Kartenmaterial ein wahrer Augenschmaus, der die rätselhaftesten Orte der Weltgeschichte, die in der überlieferten Form vermutlich nie existierten, zum Leben erweckt. Er spiegelt gleichermaßen die Sehnsüchte und Ängste der Menschen in der Vergangenheit und belegt die rasante Geschwindigkeit der Erforschung der Welt, in deren letzte Winkel trotz aller Anstrengungen jedoch noch nicht vorgedrungen werden konnte. Denn wer weiß wirklich, ob nicht irgendwo doch noch eines der legendären Länder im Verborgenen liegt und seiner (Wieder-)Entdeckung entgegenharrt?    

Christian Götz
20.12.2010

 
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Das Buch:

Judyth A. McLeod: Atlas der legendären Länder. Von Atlantis bis zum Garten Eden. Aus dem Englischen von Wilma Kohler und Julia Paiva

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Hamburg: National Geographic 2010
320 S., € 39,95
ISBN: 978-3-86690-190-2

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