Medien & Gesellschaft
Unsere lieben Nachbarn
Wer seinen Urlaub im sonnigen Süden verbringen möchte, kommt nicht an ihnen und ihren Mautstationen vorbei. Die Rede ist von den Österreichern, die ein schnitzelförmiges Land in der Mitte Europas bevölkern und die unangenehme Eigenart besitzen, dem Rest der Welt gehörig auf die Nerven zu gehen. Diese Meinung vertritt jedenfalls der in der Steiermark geborene Autor Walter Lendl, der seit einigen Jahren als "Exil-Österreicher" in Berlin lebt, und nun mit seinem Buch "Darum nerven Österreicher" mit seinen Landsleuten abrechnet.
Obwohl die Alpenrepublik nach dem Ersten Weltkrieg aus dem entstand, was auf der Landkarte übrig blieb, sind die Ösis mächtig stolz auf ihr Land. Um die landschaftliche Schönheit, in der sie leben und die sie immer wieder für Zwecke der touristischen Werbung hervorheben, werden sie sicher nicht ganz zu Unrecht beneidet. So richtig ernst genommen werden sie aber nicht. Walter Lendl sieht ihr Hauptproblem darin, dass die Österreicher zwar dieselben schlechten Eigenschaften wie die Deutschen haben, deren Tugenden aber entbehren und deshalb zu Schlamperei und Nachlässigkeit neigen.
Generell unterscheiden sich die Ösis laut Lendl aber nicht nur von ihren deutschen Nachbarn, sondern auch von sich selbst. So widmet er der Österreichischen Seele ein ganzes Kapitel, in dem er zum Beispiel den Voralbergern ihr Strebertum, den Salzburgern ihre Kulturverliebtheit und den Steirern eine gewisse Weinseligkeit vorhält. Gehorsam, höflich und sparsam sind jedoch alle Österreicher gleichermaßen. Gemeinsam ist ihnen auch ihre eigenartige Feindseligkeit gegenüber Intellektuellen und Künstlern sowie ihre Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten, die erst nach dem Ableben berühmter Landsleute ins Gegenteil umschlagen.
Überhaupt sollte man vor der Freundlichkeit der Österreicher auf der Hut sein, da sie ihren Charme selten ohne Hintergedanken spielen lassen. So bezeichnet der Autor unsere Nachbarn nicht von ungefähr als "Virtuosen des schönen Scheins". Als schön und virtuos ist das, womit uns die Ösis auf dem musikalischen Sektor mit Skihütten-Hits, Austro-Pop und Volksmusik überfluten sicherlich nicht zu bezeichnen. Und die Frage, ob der österreichische Einfluss auf das Fernsehen - man denke nur an Intendanten wie Helmut Thoma und das "Schmuddel-TV" von RTL oder Formate wie den "Musikantenstadl" - wirklich so vorteilhaft war und ist, wird wohl nicht jeder positiv beantworten. Besonders übertrieben ist für Walter Lendl der Hype um die hochgelobte österreichische Küche, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass selbst Klassiker wie das Wiener Schnitzel oder der Apfelstrudel ihre Wurzeln eigentlich ganz woanders haben, von der Kaffeekultur, die für die Hauptstadt Wien so prägnant ist, ganz zu schweigen.
Für denjenigen, der einen Urlaub in Österreich plant und es vermeiden möchte, durch falsches Verhalten ins Fettnäpfchen zu treten, ist Walter Lendls Buch "Darum nerven Österreicher" sicherlich eine große Hilfe. Wer könnte schließlich besser über den Österreicher an sich und seine Macken berichten als der Österreicher selbst, der gewissermaßen aus dem Nähkästchen plaudern kann? Und als solcher kennt sich Walter Lendl wirklich aus mit dem, was er in acht Kapiteln über seine nervigen Landsleute zusammengefasst hat. Mögen muss man sie aber doch, die Ösis, irgendwie ...
Christian Götz
18.05.2009