Medien & Gesellschaft

Skandinavische Misanthropien

"I hate the fact that everything, every fucking thing, every action and every fucking attitude, every rebellion and every indecency - everything - turns into design, sooner or later.""Macht und Rebel" ist ein Kunstprojekt am Ende der Moderne. Der Schockeffekt, auf den alle Avantgarde gesetzt hatte, ist abgenutzt, am Ende bleibt nur die Langeweile. Was Faldbakken betreffs der Kunst in "Cocka Hola Company" vorgeführt hatte, wird nun im zweiten Band der "Skandinavischen Misanthropien" wiederholt. Die filmische Schreibweise, oder besser die holzschnittartige Zeichnung der Charaktere, schwingt im flotten Gleichklang des Hasses, im schnellen Rhythmus einer technoiden, serialisierten Welt, wenn der riskante Gedanke erlaubt ist, dass der Holzschnitt Berührungspunkte zum Comic aufweist. Faldbakken selbst ist in Norwegen nicht nur Autor sondern auch Künstler und als solcher lässt sich sein vorgelegter Roman nur im Rückgriff auf Konzeptkunst verstehen, in der es um die Einbeziehung des Publikums ins Kunstwerk selbst geht. In diesem Sinne, mag die Intention des Autors vielleicht durchaus Provokation gewesen sein, nur ist diese Frage eine müßige, ähnlich der Frage nach dem Sinngehalt eines Markensymbols.

Der unheilige Bund

Im Text werden Markensymbole dekonstruiert, mit dem Sinn ihre prinzipielle Übercodiertheit und Anschlussfähigkeit für diametrale Vereinnahmung vorzuführen.Rebel, ein misanthropischer Nichtstuer mit gelegentlichem Hang zum Schreiben, begegnet darin dem erfolgreichen Macht - einem Angestellten der Werbebranche, dessen Auftrag es ist, verwertbare Konzepte der Gegenkultur zu verorten und zu instrumentalisieren. Macht, der die beste Freundin und unglückliche Liebe Rebels, so scheint es, zum Liebesspiel gewonnen hat und dabei auf dem Abort die Texte Rebels entdeckt, beschließt gemeinsame Sache mit diesem zu machen. So wird ein Projekt geboren, was einen nebulösen Konzern vor dem Marketingsupergau des Gesichtsverlustes retten soll. Eine Demonstration wohlgesinnter Weltverbesserer wird unterlaufen von einer Horde Teenager, welche wohl am ehesten dem kürzlich "neu" entdeckten "Prekariat" zuzuordnen sind, will man sich an diese Worthülse klammern. Die "Problemkids", wie Faldbakken sie nennt, bilden wohl auch den kleinsten gemeinsamen europäischen Nenner, mit dem dieser Poproman seine eigene Anschlussfähigkeit im Diskurs sicherstellt- ob sie nun Autos anzünden, aggressiven deutschen Hip Hop hören, oder wie im Roman über die Weltverbesserer herfallen - das Resultat und ihre Auszeichnung vor anderen Gruppen dürfte für Faldbakken die authentische Wut sein, die den Anhängern der sich selbst inszenierenden Gegenkulturbewegungen von "No Logo" bis zur Globalisierungskritik abzugehen scheint.

Zynismus und Provokation

Ein authentisches Gefühl - das ist die unstillbare Sehnsucht der Postmodernen. Der Zynismus von oben, den Peter Sloterdijk so vortrefflich analysierte, folgt eben aus einer Verletztheit heraus. Mag es verletzte Würde, eine unglückliche Liebe oder die Angst vor dem Tod sein, sie wäre in jedem Falle eine existenzialistische Erfahrung, die den Einwohnern postmoderner Wohlfahrtsstaaten nach dem europäischen Modell, welche noch dazu ohne Unterlass mit Erfahrungen zweiter Hand gefüttert werden, nicht mehr gelingt. Am Boden der eingerichteten Welt schlummert die Indifferenz, das Sein und das Nichts, oder die Heideggersche Langeweile. Diese Logik des Zynismus genügt, ohne die "feuchte Stelle" Faldbakkens selbst erklären zu müssen.

Mit Kränkungen kämpft der Text im doppelten Sinne. Das Abstoßende, Pädophilie, Analverkehr, Gewalt und Faschismus, die ganze Ästhetik der Hässlichkeit wird hier aufgefahren. Dies provoziert. Protest gegen den Protest ist der Punkt, an dem das Buch Faldbakkens ansetzt. Eine Protestkultur, die zur institutionalisierten Gegenkultur gerinnt, lässt keinen Raum für diffuses Unbehagen und zwingt in Formen der Verwaltung und der Symbole. So changieren auch Symbole der Gegenkultur in diesem doppelten Licht aus Unterwerfung und Emanzipation.

Ausgangspunkt echten Protestes könnte nur eine existenzialistische Bedrohung sein, die zur Unterscheidung zwischen Freund und Feind zwingt und den Ernstfall evoziert. Das klingt nicht nur nach einer Hinterhältigkeit, die sich zum Beispiel in den Essays eines Carl Schmitt verbirgt, das ist auch eben jene Geschmacklosigkeit, die kritisiert wird, wenn Symbole des Faschismus gleichgestellt werden mit Symbolen von Marken. Diesen letzten Punkt der Entrüstung und des Skandals sucht der Text. Dass er ihn in der Kritik nur zum Teil gefunden hat, spricht zum einen für die Abgeklärtheit und Differenzierungsfähigkeit des deutschen Feuilletons, zum anderen könnte es auch als Zeichen einer Enthysterisierung der Faschismusdebatte verstanden werden. In jedem Falle dürfte es für Projekte, die den Schock suchen, sei es im Text, oder in der Tat, die Angelegenheit bis ins Unendliche verkomplizieren.

Ja zum Poproman

Vor dieser Enttäuschung des Nicht-Mehr-Schockieren-Könnens und der Vereinnahmung aller möglichen Positionen in serialisierte Schemata, zeichnet der Roman ein grotesk bitterböses Bild und trägt sich dabei selbst virtuos in die Folie des Popromans ein. Listen, öffentliche Privatsprache, Symbole, Wortwitz - der passende Soundtrack zum Subkulturbashing - falls es dazu schon konstruktivistische Ansätze geben sollte.Von der Unmöglichkeit "Ich" zu sagen und der Auflösung des Subjektes im Unpersönlichen spricht der Text durch den Wechsel der Erzählperspektiven, die Listung und dem abschließenden polyphonen Wortwechsel: nur die Einzelnen und Vereinsamten, wie Rebel oder der "König" des analen Charakters sprechen noch von diesem Ort her - ein hasserfülltes Plädoyer für den Mann ohne Eigenschaften.

Siegfried Schuster
13.05.2008

 
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Das Buch:

Matias Faldbakken: Macht und Rebel

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München: Heyne 2007
348 S., € 8,90
ISBN: 978-3453-67520-9

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