Medien & Gesellschaft
Bloß nicht den Kopf verlieren!
Das ist leichter gesagt als getan, wenn einem die eine Schädelhälfte fehlt ... Na ja, zumindest die Hälfte des Schädelknochens - das Gehirn selber ist zum Glück noch da! Auch wenn nicht mehr alles so funktioniert wie gewohnt.
Nach einem Schlaganfall zum Jahresende 2017 ist von heute auf morgen alles anders: Eben noch mitten im Leben, fegt dieser Tag Klaus-Dieter Meder vollkommen aus der Bahn. Selbstständig, der Beschützer, ein Bär von einem Mann - alles binnen Sekunden dahin. Wie er trotzdem so gut es geht wieder ins Leben findet, davon erzählt er in seinem beeindruckenden Buch. Aus erster Hand erfährt man, in welch surrealer Gedankenwelt Klaus-Dieter Meder in der Zeit direkt nach dem Schlaganfall gefangen ist: Traum und Realität mischen sich auf schräge Art und Weise, Sinneseindrücke und Erfahrungen aus der echten Welt mischen sich während des Komas immer mehr mit Szenarien der Traumwelt, und irgendwann weiß man gar nicht mehr, woran sich der Geist gerade verzweifelt klammert, um nicht den Verstand zu verlieren.
Der Hirndruck steigt, die halbe Schädeldecke muss deshalb entfernt werden, aber keine Sorge: Der Knochen wird eingefroren und einfach später irgendwann wieder eingesetzt - wenn's mal nur so einfach wäre! Aber während der Körper langsam heilt, wird eine andere Wunde immer größer: Wenn man von heute auf morgen zum Pflegefall wird - was macht das dann mit den sozialen Kontakten, der Familie, und vor allem der Beziehung?
Klaus-Dieter Meder lässt nichts aus, ein Märchen mit Happy End sieht anders aus. Aber vielleicht steht am Ende nicht der Gedanke, dass ja nochmal alles gutgegangen ist - das ist es nämlich nicht. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht das, worauf es ankommt? Vielleicht ist es ja viel wichtiger, zurückzublicken und sich darauf zu besinnen, wie viel Glück man am Ende doch gehabt hat. Vielleicht erfüllt es einen dann mit Demut, dass man zwar zurecht sagen könnte: "Alles versaut, das Leben ist dahin!" - aber dann doch innehält und selbst oder gerade in der dunkelsten Stunde so etwas wie Dankbarkeit empfindet, immerhin am Leben zu sein. Immer noch seinen Verstand zu haben. Die Fortschritte zu sehen und die Hoffnung nicht aufzugeben.
Und am Ende - da lässt Klaus-Dieter Meder keinen Zweifel - ist es vielleicht das Allerwichtigste: Seinen Humor nicht zu verlieren! Denn das (so viel ist klar!) lässt trotz aller Tragik Klaus-Dieter Meders Erfahrungsbericht zum Lesevergnügen werden, und man geht am Ende doch mit einem Schmunzeln aus der Sache raus ...
Andreas Berg
10.06.2024