Medien & Gesellschaft

Einblick in die Arbeitsweise des Schriftstellers Arno Schmidt

"Ich ziehe mich nunmehr in andere Bereiche zurück - hoffentlich gelingts noch einmal - wenn's wird, wird's ebbes Kurioses werden", teilte Arno Schmidt seinem Lektor Ernst Krawehl mit, als er die Niederschrift des Romans "Julia, oder die Gemälde" begann. Nach dem Tod des Autors 1979 blieb ein Fragment zurück - und ein Zettelkasten mit 13.339 Notizzetteln zum Roman. Wie wäre das Buch weitergegangen, was lässt sich aus den Zetteln schließen? Susanne Fischer hat das gesamte Material erkundet und zeigt, wie der Autor mit seinen Notizen arbeitete. Ergänzt wird der Band mit dokumentarischen Bildern von Arno Schmidts Arbeitsplatz, die unmittelbar nach seinem Tod aufgenommen wurden.

In "Julia, laß das!" präsentiert die in Hamburg geborene Journalistin, außerdem Geschäftsführerin der Arno Schmidt Stiftung und Trägerin der Ben-Witter-Preises 2013 Hunderte von Beispielen aus allen Themenbereichen des geplanten Romans. Witzige Sentenzen im typischen Schmidt-Ton finden sich ebenso darunter wie Befremdliches und Rätselhaftes. Vor allem überrascht die Dominanz der Sexualität in den Notizen obwohl es doch über Sex dort auch heißt: "je mehr ich darüber nachdenke, je weniger sagt es mir zu" (Zettel 8.081).

Die Suhrkamp-Neuerscheinung stellt nun Schmidts Zettelkasten in allen Details und aller Ausführlichkeit vor. Der Großteil der Zettel trägt Notizen zum späteren Prosatext. Andere Zettel dienten der Charakterisierung der Figuren oder hielten Besonderheiten von einzelnen Szenen fest. Ein Kapitel stellt die ersten Romanentwürfe vor (mit Scans und auf der gegenüberliegenden Seite im Hinblick auf Originaltreue und Lesbarkeit editorisch bearbeitet). Einige Farbfotos vom Zettelkasten und vom Arbeitsplatz von Arno Schmidt ergänzen die Neuerscheinung, sodass man auch einen optischen Eindruck von der Arbeitsweise des Schriftstellers bekommt. Das hat größte Seltenheit im Bücherregal!

Nicht mehr und nicht weniger als einen Geniestreich sondergleichen muss man Susanne Fischers "Julia, laß das!" bezeichnen. Vor solch einer Meisterleistung kann man einzig nur den Hut ziehen, Also: Chapeau! Auch vor der Wirkung dieses Sachbuches: Es berauscht alle Sinne. Da haut's einen sogar glatt vom Hocker!

Susann Fleischer 
07.02.2022

 
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Das Buch:

Susanne Fischer: Julia, laß das! Arno Schmidts Zettelkasten zu Julia, oder die Gemälde

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Berlin: Suhrkamp Verlag 2021 120 S., € 30,00 ISBN: 978-3-518-80480-3

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