Medien & Gesellschaft

Ein Spielball der Mächtigen

Dass der Fußball auf der ganz großen Bühne als Spielball des Mammons sowie politischer und finanzieller Interessen herhalten muss, ist mehr als ein offenes Geheimnis. Die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften nach Russland und Katar hat verdeutlicht, was viele Bewahrer des Schönen und Guten schon seit Jahren befürchtet haben. UEFA und FIFA besitzen mit dem Fußball auf kontinentaler und globaler Ebene ein Premiumprodukt, mit dem sich sehr gut die eigenen Taschen füllen lassen. Selbst in den eigenen vier Wänden, wo Korruption doch ein Fremdwort zu sein scheint, ist man davor nicht gefeit. Das mittlerweile 14 Jahre zurückliegende Sommermärchen mit der Fußball-WM im deutschen Sommer 2006 scheint schließlich auch nur mit unlauteren Mitteln möglich gewesen zu sein. Der Fußball ist im 21. Jahrhundert auf dem ganzen Erdball verkommen zu einem Mittel, das von Diktatoren, Kriegstreibern, Rebellen und Wirtschaftsunternehmen schonungslos für die Durchsetzung der eigenen Interessen missbraucht wird.

Ronny Blaschke hat in seinem neuesten Buch "Machtspieler" derartige historische und aktuelle Entwicklungen aus nahezu allen Winkeln der Erde zusammengetragen. Der 1981 in Rostock geborene Sportjournalist hat sich in der Vergangenheit mit seinen Veröffentlichungen einen Namen als kritischer Beobachter des Fußballumfelds gemacht. Dabei standen stets gesellschaftliche wie auch politische Berührungspunkte in seinem Fokus. Für seine detaillierten Beobachtungen und Schilderungen von Rassismus und Diskriminierung im deutschen Fußball sind er und sein Schaffen bereits mit einigen Preisen belohnt worden. Darüber hinaus ist Blaschke umtriebig in der öffentlichen Auseinandersetzung mit den von ihm beleuchteten Themen. Man findet ihn als eloquenten Gast oder auch Moderator auf vielen Podiumsdiskussionen, in denen des Deutschen liebstes Kind ob der Spielchen, die mit ihm getrieben werden, durchaus kritisch betrachtet wird und dessen Protagonisten in die Verantwortung genommen werden.

Für sein neuestes Werk hat sich Blaschke tief in viele politische Minenfelder eingearbeitet. In den 13 Kapiteln von "Machtspieler" werden 13 verschiedene Länder in den Fokus genommen. Teilweise hat Blaschke dafür sogar seinen Schreibtisch verlassen und seine Recherchen vor Ort betrieben. Ganz besonders deutlich wird dies sogleich im ersten und recht umfangreichen Kapitel über den Fußball auf dem ballverliebten Balkan, wo das runde Leder gerade während des Balkankrieges übel in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Erinnerungen an die Jagdszenen, die sich am 13. Mai 1990 beim Gipfeltreffen zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad auf dem Fußballplatz abspielten, sind auch heute gut drei Jahrzehnte später immer noch präsent. Das Ausnutzen des Fußballs als Machtinstrument durch die Mächtigen und die Rebellierenden ließ sich in den Folgejahren immer wieder in den Ländern des ehemaligen jugoslawischen Vielvölkerstaates beobachten.

Es mag wenig verwunderlich erscheinen, dass sich der Blick auf Blaschkes Reise über den europäischen Kontinent nach Russland, in die Ukraine oder die Türkei wendet. Doch auch in scheinbar demokratischen Regionen Europas wird der Fußball als politisches Mittel genutzt. Die Unabhängigkeitsbemühungen Kataloniens beispielsweise sind eng verknüpft mit dem FC Barcelona, einem der größten und glanzvollsten europäischen Fußballvereine. Selbst Pep Guardiola, mutmaßlich der bedeutendste Fußballtrainer der letzten Jahre, nutzt seine Popularität immer wieder, um das Freiheitsstreben seiner Katalanen zum Ausdruck zu bringen. Im Nahen Osten wird die Gangart sogleich nochmal um einiges rauer, wenn die Zugehörigkeit zu Fangruppierungen durchaus mit einer gewisseren Gefährdung des eigenen Lebens einhergeht. Auch im nordafrikanischen Raum war der Fußball während des Arabischen Frühlings ein Mitspieler im gewalttätigen Konflikt der Interessen. Die brutalen Szenen in ägyptischen Stadien mit zig Todesopfern haben sich ins kollektive Gedächtnis des Fußballs eingebrannt.

Doch Blaschke hat nicht nur die bekannten Hotspots abgearbeitet, sondern beispielsweise mit Ruanda auch ein Land berücksichtigt, das auf der fußballerischen Landkarte bisher nur wenig Beachtung gefunden hat. Während des Bürgerkriegs zwischen Tutsi und Hutu war auch der Fußball mehr als ein Spiel. Abgerundet wird Blaschkes Weltreise schließlich mit Argentinien und den Gräueltaten der Militärdiktatur, die zur Fußball-WM 1978 ein abscheuliches Spektakel veranstaltete, das in der Geschichte des Sports wohl nur von Hitlers Berliner-Olympiascharade getoppt wird. "Machtspieler" kommt mit 100 Prozent Text daher, da für Bilder angesichts der Themenfülle, über die Blaschke kompetent zu berichten weiß, kein Platz ist. Wer die Mechanismen zwischen Fußball und politischen sowie wirtschaftlichen Interessen besser verstehen möchte, für den führt an diesem im Göttinger Werkstatt Verlag erschienenen Werk kein Weg vorbei.

Christoph Mahnel 
02.06.2020

 
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Das Buch:

Ronny Blaschke: Machtspieler - Fußball in Propaganda, Krieg und Revolution

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Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2020 240 S., € 19,90 ISBN: 978-3-7307-0495-0

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