Belletristik:

Sachbuch:

Magazin:

Medien & Gesellschaft

Alles über Fußball

Der Fußball ist nicht nur des Deutschen liebstes Kind, sondern unangefochten die Sportart Numero Eins auf dem gesamten Globus. Die Jagd nach dem runden Leder vereint die Völker der Welt, lässt Waffen ruhen, wenn in 90 Minuten der Sieger gesucht wird. Keine andere Sportart zieht soviel Aufmerksamkeit auf sich wie die, die ihre heutigen Wurzeln in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf der britischen Insel liegen hat. Knapp 150 Jahre nach dem ersten offiziellen Länderspiel zwischen England und Schottland ist der Fußball in der Postmoderne angekommen: Kein noch so winziges Detail bleibt unbeobachtet, sämtliche Spielbetriebe sind durchorganisiert, in der Findung von Talenten wird rein gar nichts dem Zufall überlassen, denn hinter allem steht ein riesengroßes Business, in dem Umsätze in aberwitzigen Dimensionen gemacht werden.

Wenn man ein Projekt angeht, an dessen Ende ein Buch mit dem Titel "Fußball" stehen soll und dieses - wie der englische Originaltitel erahnen lässt - den Anspruch erhebt, ein vollständiges Werk über diese Sportart zu sein, dann darf man tatsächlich gespannt sein. John Malam und Clive Gifford, zwei englische Historiker und Journalisten, haben sich, mit ganz viel Selbstvertrauen ausgestattet, an diese Mammutaufgabe herangewagt. Herausgekommen ist dabei "The Complete Book of Soccer", ein im vergangenen Jahr im englischen Original erschienener Wälzer, der dank des Göttinger Werkstatt Verlags in diesem Frühjahr in einer deutschen Übersetzung den Weg in die hiesigen Buchläden gefunden hat. 320 Seiten umfasst dieses Schwergewicht, das gleichermaßen stark bebildert und vollgepackt mit Informationen daherkommt.

Selbsternannte Experten mögen zunächst skeptisch die Nasen rümpfen, bevor sie sich an das vorliegende Buch heranwagen, denn wie will man es schaffen, alle Infos über Fußball auf 320 Seiten zu bannen, wenn das, was man selbst darüber weiß, sich mindestens über 2000 Seiten erstrecken würde. Doch die beiden Autoren haben einen sehr klugen Ansatz gewählt, um ihr Unterfangen zu meistern. Auf den ersten Seiten des Buches beschäftigen sie sich mit der Geschichte des Fußballs und seinen Frühformen sowie dem Weg hin zum heutigen Regelwerk, bevor sich der erste Hingucker mit der Kapitelüberschrift "Die Weltmeisterschaften" ankündigt. Doch hier zeigt sich die Philosophie der beiden Autoren: Kurz und knapp durchschreiten sie die knapp neunzigjährige und oft erzählte Geschichte der globalen Titelkämpfe und gewähren jedem Turnier eine Doppelseite, links und rechts des Weges mit vielen statistischen Kacheln verziert. Auf die gleiche Art und Weise erfahren "Die Europameisterschaften" ihre Abhandlung. Die übrigen kontinentalen Titelkämpfe werden noch einmal deutlich komprimierter dargestellt.

Ein Herzstück in "Fußball" bildet "Die Weltfamilie des Fußballs". Alle nationalen Verbände werden hier vorgestellt. Neben den größten Erfolgen, dem Gründungsjahr, dem Jahr des FIFA-Beitritts und der aktuellen Platzierung in der FIFA-Weltrangliste weist ein kurzer Text auf die Besonderheiten des jeweiligen Verbandes hin. Hier erfährt man unter anderem, dass sich Amerikanisch-Samoa nach seiner Rekordniederlage vor 18 Jahren gegen Australien gut erholt zeigt und in letzter Zeit auch einige Pflichtspielsiege feiern durfte. Die Kapitel über Klubfußball sind erfreulicherweise global angelegt und konzentrieren sich keineswegs auf den europäischen Klubfußball. Ein weiteres Highlight bildet schließlich die Revue der besten Spieler der Welt, die im Panini-Stile angelegt ist und Heroen der Kindheit mit Helden im Hier und Jetzt vereint. Trainer, Schiedsrichter und sogar der Frauenfußball werden kurz vor dem Abpfiff noch gestreift, bevor nach einer Gedenkminute für die größten Katastrophen der Fußball-Geschichte ein Glossar den Wälzer "Fußball" abrundet.

Nach 320 Seiten wird selbst der erwiesenste Experte mit einem ehrfurchtsvollen Kopfnicken bestätigen müssen, dass den beiden Autoren mit dem vorliegenden Werk ein großer Wurf gelungen ist. Angesichts der Informationsfülle, der Strukturierung der Inhalte und der globalen Breite ist für jeden eine substantielle Wissenserweiterung möglich. Mit dem schweren Wälzer wird sich so mancher Abend im Sessel oder auf dem Sofa gestalten lassen, der mit einem erschrockenen Blick auf die Uhr enden wird. John Malam und Clive Gifford gelingt es mit "Fußball", den Leser immer wieder stundenlang abtauchen zu lassen, zum Vor- und Zurückblättern zu animieren, um den ungebremsten Wissensdurst zu befriedigen. Danke für diese Goldgrube!

Christoph Mahnel
01.07.2019

Diese Rezension bookmarken:

Social Bookmarking