Medien & Gesellschaft
Missionen eines Moderators
Im Alphabet sehr nah, gibt’s für Kohl und Modrow sonst nicht viel mehr Nähe. Dennoch weisen die Biographien beider Männer manche Gemeinsamkeit auf. Sie waren Regionalchefs ihrer Parteien und Regierungschefs ihres Landes. Die Wege des westdeutschen und ostdeutschen Regierungschefs kreuzten sich 1989. Was sie über ihr Begegnen äußerten, muß bei den Lesern den Eindruck entstehen lassen, zwei grundverschiedene Ereignisse zu betrachten. Gemeinsam ist den Erinnernden, daß sie unverbesserliche Optimisten sind. Das bestätigt jeder Band der Memoiren von Helmut Kohl wie die Bücher von Hans Modrow.
"In historischer Mission" heißt die jüngste Publikation des ostdeutschen Politikers. Keineswegs überrascht Modrows Sicht auf die Welt, die sich als "sozialistisches Lager" definierte. Wahrlich überraschend ist die Weltläufigkeit des DDR-Mannes, von dem es nun im Untertitel des Buches heißt, daß er „Als deutscher Politiker unterwegs“ war. Nicht in aller Welt, doch weit genug in der Welt. Eine Tatsache, die umsomehr verblüfft, da der jungen DDR derartige internationale Kontakte gar nicht zugetraut wurden. Modrow, so ist zu erfahren, war ein rege Reisender. Im Auftrag von Partei und Regierung war er in vielen Missionen unterwegs, obwohl er kein dienstbarer Geist des diplomatischen Parketts war. Modrow war ein informeller Vermittler. Modrow war ein Moderator. Wer hätte ihm das zugetraut? Wer das von ihm erwartet? Kein Wunder also, daß er 1989/90, in den Tagen des Abschieds von der DDR, eine gute Figur machte.
Die DDR ist dem Schreiber so nah wie seine Rolle als Vertreter und Verteidiger des Landes, das die wesentliche Welt über zwei Jahrzehnte nicht anerkannte. Die Welt des Reisenden reichte von Polen, über China, bis Japan. Welterfahrung hat Modrow weiser gemacht als manchen DDR-Führer. „Parteien“, schreibt er, „haben eine gewisse Neigung zur Normierung“. Für ihn die Ursache des Auf- und Abschwungs vieler Nationen und Völker. Und die Ursache für die „Unausgeglichenheit der sozialen Entwicklung“ in allen Weltteilen ist auch für ihn die „Urkraft des Kapitalismus.“ Das heißt das unkontrollierte Streben nach Profit und nichts als Profit. Kein Zweck-Optimist, hält Modrow doch die Hoffnung aufrecht, daß sozialistisch bleibt, was, seiner Meinung nach, noch sozialistisch ist in China, Vietnam, Kuba. Sich vom Wunschdenken leiten zu lassen, ist nicht die Art des Hans Modrow. Sich seinen Optimismus stehlen zu lassen, ist auch nicht die Art des „deutschen Politikers“, als der nun herausgestellt wird. In der Welt nicht unerfahren, durch die Weltwirklichkeit nicht zum Pessimisten geworden, fragt der Mensch Hans Modrow: „Wie es in diesem Jahrhundert wird? Wir fürchten, die Antwort zu wissen.“ Fragt so Kohl? So hinterfragt Kohl nicht. Der weiß! Aber was? Wirklich?
Bernd Heimberger
21.01.2008