Biographie

Im Paternoster der Politik

Hugh, der H?uptling hat gesprochen! Entgegen aller parteiinternen Regeln, Riten und Rhythmen hat der stolze Hamburger Helmut Schmidt den nicht weniger stolzen Hamburger Peer Steinbr?ck den n?tigen Schubs gegeben, um den J?ngeren als unaufhaltsamen Kanzlerkandidaten zu protegieren. Was die beiden Journalisten Eckhart Lohse und Markus Wehner nat?rlich nicht tun, die gemeinsam eine Steinbr?ck-Biographie verfassten. Oder? Die studierten Historiker, die gem?? ihres Auftrages als neutrale Journalisten fungieren, haben sich nicht geziert, eine Pro-Steinbr?ck-Schrift zu schreiben. Was nicht berechtigt, die Autoren als Steigb?gelhalter des Kandidaten f?r das Kanzleramt zu bezeichnen.

Den Beginn der 350-Seiten-Biographie macht der knapp gehaltene Teil, der ?ber das Herkommen des 1947 Geborenen berichtete. Wer vereinfachende Analogien mag, wird befriedigt feststellen, dass Steinbr?ck mit den passenden biographischen Genen ausgestattet ist. Ein Urahn des prominenten Wirtschafts- und Finanzpolitikers war einer der Mitbegr?nder der Deutschen Bank. Na bitte! Na und? Ohne sich allzu ausf?hrlich ?ber das Schicksal der Sippe auszulassen, ohne sich auf eine allzu detaillierte Darstellung der Person einzulassen, listen die Journalisten alles auf, was in s?mtlichen Medien ?ber St?rken und Schw?chen Steinbr?cks im Schwange gewesen ist.

Mit wenigen Worten wird laut, welch unwilliger, desinteressierter Sch?ler der Peer war und wie miserabel in Mathe. Nanu! Der Student wird als "Neunmalkluger" geschildert, der durch seine Wortduelle nicht nur angenehm auffiel. Wohlwollend wird ?ber Leidenschaften des Mannes informiert. ?ber den Schach-, Billard- und Tennisspieler. Wiederholt wird der Kinog?nger gew?rdigt. "Und er hat eine gewisse Schw?che f?r bestimmte Jazz-S?ngerinnen", hei?t es simpel. Das soll den Lesern was sagen? Pers?nlicher wird einem die Person so nicht n?hergebracht, deren Privatsph?re ohnehin den geringsten Platz im Buch hat.

Die Autoren haben alle aufgeboten, um die lange politische Biographie der Peer Steinbr?ck auszuarbeiten, der mit einem ausgepr?gten Sinn f?r Scherze ausgestattet ist. Der verleitet den Sprachgewandten hin und wieder arrogant und herablassend aufzutreten. Also, doch keine Idealbesetzung in der Politik? Ist der Politiker ein Problem in der, f?r die Politik? Problematisiert er die Politik? Mitnichten!

Der Gro?teil der Biographie ist dem Tun im politischen Umfeld oder in der Politik gewidmet. Die Leser werden es kaum fassen, in welchen Positionen, auf welchen Posten der SPD-Kanzlerkandidat sich und die Partei vertrat. Er hat den Paternoster der Politik absolviert. Rauf und runter! Als Hilfsreferent bei Schmidt, B?roleiter von Rau, als Mitarbeiter der St?ndigen Vertretung in der DDR, als Minister in Schleswig-Holstein, als Ministerpr?sident in Nordrhein-Westfalen, als Minister der Gro?en Koalition. Einer, der seine Einsichten und Erkenntnisse in der Praxis erwarb. Einer, der die offensichtliche Krise des Kapitalismus nicht aus der Kurve schleuderte. Einer, den der Banken-Einbruch nicht in die Knie zwang. Mit seinem Hang zur Ironie, ?u?erte er: "Generell muss man wohl sagen, das gewisse Teile der marxistischen Theorie doch nicht so verkehrt sind." Daran zweifeln, dass Steinbr?ck nicht meint, was er formuliert?

Hat der Mann, der als kein stumpfer "Parteisoldat" geschildert wird, nicht alle der m?glichen ?mter? Was will er mehr? Will er? Zumal er es als Befreiung empfand, aus dem Bundeskabinett raus zu sein. Der Gerne-Redner, der sich allerorts als Gastredner wohlf?hlt, ist kein ergiebiges Thema des Buches. Hat sich Peer Steinbr?ck nicht bereits im selbstorganisierten Vorruhestand eingerichtet? Was nun? Warten auf den Bundeskanzlersessel als Rentner? Muss das sein? Weil der Patriarch der Partei das gern m?chte? Warum h?rt Peer Steinbr?ck nicht auf Frau und Kinder, die abrieten, sich die Krux der Kanzlerschaft anzutun? Warum also? Damit Merkel die n?chste Runde im Kabinett Steinbr?ck mitmachen kann? H?tte das nicht auch seine Komik?

Bernd Heimberger
21.01.2013

 
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Das Buch:

Eckart Lohse, Markus Wehner: Steinbrück. Biographie

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München: Droemer Verlag 2012
364 S., € 19,99
ISBN: 978-3-426-27593-1

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