Biographie

Ein Heiligenkalender zum Niederknien

Es ist ein langer Weg bis zur Heiligsprechung, den ein Mensch zurücklegen muss, der einst Wunder wirkte und für seine Mitmenschen zu jedweden Preis einstand. Nicht selten liegen drei, vier, fünf und mehr Jahrhunderte zwischen dem Tod einer Person und deren postumen Anerkennung als Heilige, die Betenden in allen Notlagen als "himmlischer Spezialagent" hilfreich zur Seite steht. Sieht man von wenigen Ausnahmen wie Antonius von Padua und Elisabeth von Thüringen ab, die einen Geschwindigkeitsrekord bei der Heiligsprechung halten - mitunter nur wenige Monate. Inzwischen führt das "Martyrologium Romanum" 6650 Heilige und Selige auf, sodass es unter Umständen recht schwierig sein dürfte zu erkennen, wer uns wann und wie helfen kann. Für solche Fälle haben die Autoren Ulf von Rauchhaupt und Tilman Spreckelsen das kleine, handliche Nachschlagewerk "Heilige für Eilige" mit 100 Kurzporträts verfasst.

Wie sehr sich die Lektüre dieses Büchleins lohnt, mag man bereits erahnen, wenn man das Cover betrachtet. Ein Mann in typischer Arztbekleidung und mit einem Ersten-Hilfe-Köfferchen spurtet in Römer-Sandalen durchs Bild. Dass es sich dabei nicht um irgendeinen dahergelaufenen Chirurgen handelt, weiß man spätestens in dem Moment, wenn man den Heiligenschein betrachtet, der über dem Kopf des Mannes schwebt. Genauso witzig und skurril, aber trotzdem fundiert und klug erzählen die Autoren aus dem Leben von 100 Heiligen, die mal mehr, mal weniger bekannt sind und doch so manche Überraschung parat halten.

Wer hätte gedacht, dass der Valentinstag keine Erfindung der Blumenhändler ist, sondern auf Valentin von Rom zurückzuführen ist? Dass dies tatsächlich so ist, erfährt man in "Heilige für Eilige", in dem es heißt, dass dem Bischof am 14. Februar des Jahres 269 der Märtyrertod ereilte. Damals ehelichte er trotz Verbots von Papst Claudius II. Liebende und zog sich den Unmut der Heiligen Römischen Kirche auf sich. Auch wenn so mancher Heiliger vor 1000 Jahren und früher in den Himmel aufgestiegen ist, so sind sie auch im Medienzeitalter des 21. Jahrhunderts aktuell wie einstmals. Man denke an Isidor von Sevilla, dem Patron des Internets, Johannes der Täufer, dem Patron der Kinobetreiber, und Clara von Assisi, der Patronin des Fernsehens, die alle drei zu einer Zeit starben, als Technik und Fortschritt in Form von Windrädern und Holzkarren offensichtlich wurden. Und dies sind lediglich vier von insgesamt 100 Heiligen, die in diesem Buch die ihr gebührende Anerkennung bekommen und selbst Nichtgläubigen ein Stück Glauben an kleine Wunder (zurück-)geben.

Es ist beruhigend zu wissen, dass man mit "Heilige für Eilige" ein kompaktes, wissensreiches Kleinod in den Händen hält, das einen ersten Einblick in die wunderbare Welt der Heiligen gewährt. Auf den 208 Seiten herrscht ein humoristisch-munterer Plauderton vor, der dem Leser ein Leben vorführt, das keineswegs so himmlisch war, wie man meinen könnte. Die Ängste, die damals die Menschen umgetrieben haben mussten und sie trotzdem nicht in ihrem beherzten Handeln beeinflussten, sind auch zwischen den Zeilen spürbar und daher ein Grund mehr, weshalb man Johann Nepomuk, Pankratius, Thomas Morus, Margareta von Antiochia und all den anderen mit großem Respekt begegnen sollte. "Heilige für Eilige" ist dafür ein erster guter Anfang, der amüsante Unterhaltung mit Geschichte und Wissen verbindet und so Lust darauf macht, etwas mehr über dieses Thema erfahren zu wollen. So langweilig und uninteressant, wie viele glauben, ist das Christentum nämlich nicht.

Susann Fleischer
27.09.2010

 
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Das Buch:

Ulrich von Rauchhaupt, Tilman Spreckelsen: Heilige für Eilige. Wann sie helfen, wer sie sind - 100 Kurzporträts. Mit Illustrationen von Charlotte Wagner

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Freiburg: Herder Verlag 2010
208 S., € 9,95
ISBN: 978-3-451-06258-2

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